Julia Extra 0353
seltsame Idee.“
„Aber du benimmst dich so anders. Du schaust mir in die Augen. Du hast eine eigene Meinung. Beinahe habe ich den Eindruck, dass du mir wirklich eine ehrliche Antwort geben würdest.“
„Dann finde es doch heraus.“
„Genau das meine ich. Vor einem Jahr hättest du so etwas niemals zu mir gesagt.“
„In zehn Tagen werden wir heiraten. Sollte ich da nicht offen zu dir sein?“
„Ja.“ Er dachte kurz nach. „Eine romantische Liebesgeschichte ist dir sehr wichtig, oder?“
„Natürlich! Dir etwa nicht?“
„Andere Dinge sind mir wichtiger. Familie. Loyalität. Integrität.“ Er sah ihr tief in die Augen, als wollte er sie zu einem Widerspruch reizen. „Und Treue.“
Verblüfft sah sie ihn an. „Aber gehören alle Eigenschaften nicht auch zur romantischen Liebe dazu? Wie kann man einen Menschen wahrhaft lieben, ohne ihm sein Herz, seinen Körper und seine Seele zu schenken?“
„Wenn du einen Mann liebst, dann würdest du ihn also niemals betrügen?“
„Niemals.“
„Und du würden deinerseits auch niemals einen Fehltritt verzeihen?“
„Auf gar keinen Fall.“
„Du hast also nicht vor, dir einen Liebhaber zuzulegen, nachdem wir verheiratet sind und du deine Pflicht erfüllt hast?“
Die Frage entsetzte Hannah. „Hältst du mich für diese Sorte Frau?“
„Ich halte dich für eine Frau, die man zu einer Hochzeit zwingt.“
Statt einer Antwort sah Hannah ihn nur fassungslos an.
Zale beugte sich noch weiter vor. „Ich denke, dass du um jeden Preis anderen Menschen gefallen willst.“
„Weil ich mich auf eine arrangierte Ehe einlasse?“
„Weil du dich auf diese Ehe einlässt. Aber: Kannst du in einer solchen Ehe wirklich glücklich werden?“
„Was ist mit dir?“
„Ich kann es. Ich bin diszipliniert. Außerdem bin ich zehn Jahre älter und verfüge über weit mehr Lebenserfahrung. Ich weiß, was ich will und was ich brauche.“
„Und zwar?“
„Wohlstand für mein Volk, Frieden für mein Land und Erben für meinen Thron.“
„Das ist alles? Frieden, Wohlstand und Kinder?“
„Ich bin eben realistisch. Ich weiß, dass ich vom Leben nicht allzu viel verlangen darf. Also stelle ich keine besonders hohen Ansprüche und greife nicht nach den Sternen.“
„Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Schließlich warst du der Fußballstar, der Raguva ins Finale der Weltmeisterschaft geführt hat. Ohne große Träume erreicht man so etwas doch nicht …“
„Das war vor dem Tod meiner Eltern. Heute denke ich zuerst an mein Land. Nichts ist wichtiger als meine Pflichten Raguva gegenüber.“
Der scharfe Tonfall ließ sie innerlich erzittern. Alles an ihm wirkte so männlich – der Schwung seiner Lippen, die markanten Wangen, das kantige Kinn.
„Und ich erwarte von dir den gleichen Einsatz“, fügte er hinzu. „Wenn wir verheiratet sind, darf es nie zu einer Scheidung kommen. Unsere Ehe muss für immer sein. Wenn du mir das nicht versprechen kannst, solltest du nicht hier sein.“
Mit einem Ruck schob Zale seinen Stuhl nach hinten, ergriff ihre Hand und stand auf. „Genug ernste Gespräche! Jetzt wollen wir deine Ankunft feiern. Wir sollten uns unter die Gäste mischen und den Abend genießen.“
Der Rest des Abends verging wie im Fluge. Jeder wollte mit König Zale und der glamourösen Prinzessin Emmeline sprechen.
Nachdem um halb elf die letzten Gäste gegangen waren, begleitete Zale die Prinzessin zu ihrer Suite im ersten Stock des Palasts.
Was für ein seltsamer Abend, dachte er. Mit gemischten Gefühlen hatte er Emmelines Ankunft entgegengesehen. Sie war nur hier, weil es die Pflicht erforderte. Raguva brauchte eine Königin, und er brauchte Thronerben. Wenn es allerdings nach ihm gegangen wäre, hätte er Emmeline niemals zur Ehefrau gewählt.
Natürlich kannte Zale seine eigenen Fehler – er arbeitete zu viel, war zu verbissen –, aber er war auch überaus treu ergeben.
Erst zu spät war ihm aufgefallen, dass Emmeline es mit der Treue nicht allzu ernst nahm.
Ihre Eltern hatten sie nicht verzogen. Im Gegenteil: Sie hatten so hohe Ansprüche an sie gestellt, dass sie diese niemals hatte erfüllen können. In den Augen der Welt war sie eine strahlende, selbstbewusste Prinzessin, aber ihr Vater hatte Zale gewarnt, dass sie gelegentlich unsicher und schwierig sein konnte.
Die Warnung von König William d’Arcy hatte ihn nachdenklich gestimmt. Schließlich brauchte er keine schwierige Ehefrau, geschweige denn eine unsichere
Weitere Kostenlose Bücher