Julia Extra 0353
starrte auf einen Punkt auf seinem Schreibtisch, während seine Finger einen Rhythmus klopften.
„Hast du gut geschlafen?“, brach er das unerträgliche Schweigen.
Sie nickte. „Ja, danke.“
„Gestern war ich wütend. Ich hatte dein Gespräch belauscht und fühlte mich hintergangen …“
„Schon gut, ich werde dir keine Szene machen …“
„Ich muss mich bei dir entschuldigen“, unterbrach er sie. „Du hast die Wahrheit gesagt und nicht mit Alejandro gesprochen.“
„Woher weißt du das?“
„Er hatte gestern in Buenos Aires bei einem Polospiel einen schweren Unfall. Er wurde mehrere Stunden lang operiert und liegt noch immer ohne Bewusstsein auf der Intensivstation.“ Er sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an. „Es tut mir leid, Emmeline. Ich weiß, wie viel du für ihn … empfindest.“
Sie schaute auf ihre Hände. „Es tut mir leid, dass er verletzt ist, aber ich bin nicht in ihn verliebt.“
„Nein?“
Sie schüttelte den Kopf, dann sah sie ihm in die Augen. „Wie könnte ich das, wenn ich dich doch so sehr mag?“
Er nahm einen tiefen Atemzug. „Immer noch? Und das, obwohl ich dich gestern Abend hinauswerfen wollte?“
Sie versuchte ein Lächeln. „Ja.“
Sein Gesicht wirkte angespannt und traurig. „Es tut mir leid. Ich hätte dir vertrauen sollen.“
Ihr Schuldbewusstsein meldete sich, doch sie zwang sich zu lächeln. „Manchmal gibt es eben Missverständnisse.“
„Kannst du mir verzeihen?“
„Ja.“
„Bleibst du bitte hier? Als Gastgeber des Balls brauche ich dich an meiner Seite.“
„Liebend gern. Ich freue mich schon darauf.“
„Danke.“ Er klang erleichtert, obwohl sein Gesichtsausdruck ernst blieb. „So, und jetzt muss ich dich ganz schnell zur letzten Anprobe für dein Ballkleid schicken.“
Hannah nickte und verließ das Zimmer.
Zale sah ihr hinterher, bis die Tür ins Schloss fiel.
Für einen kurzen Moment fühlte er sich seltsam leer und einsam.
Wie gern hätte er den Morgen mit ihr verbracht. In ihrer Nähe fühlte er sich wohl.
Gestern Abend hatte sie gesagt, sie wüsste, dass sie nicht die Frau war, die er sich wünschte. Sie hatte sich geirrt. Denn sie war genau die Frau, die er sich wünschte. Jetzt musste er ihr das nur noch beweisen.
Es wurde endlich Zeit, dass er aufhörte, alles unter Kontrolle haben zu wollen. Würde er es schaffen? Konnte er sich für sie ändern?
Ja.
Wieder dachte er daran, wie sie gestern Nacht in seinem Arm geschlafen hatte. Er wollte sie jede Nacht so halten. Wollte sie heiraten, Kinder mit ihr haben, sein Leben mit ihr verbringen. Alles.
Im Ankleidezimmer der Königin stand Hannah auf einem kleinen Schneiderpodest. Sie trug ein langes weißes Kleid im griechischen Stil, dessen Reißverschluss einfach nicht zugehen wollte.
Niemand der Anwesenden sagte ein Wort.
Weder Lady Andrea, die mit ihrem Terminkalender in der Ecke saß. Noch Camille oder Teresa, die an einer Wand standen. Und auch nicht Monsieur Pierre, der Modedesigner aus Paris, der erst vor wenigen Stunden mit den beiden bestellten Kleidern eingeflogen gekommen war – dem Abendkleid für den heutigen Ball und dem Hochzeitskleid für die Zeremonie am nächsten Samstag.
Das zarte Chiffonkleid hätte eigentlich wie ein Wasserfall elegant an Hannahs Körper hinabgleiten sollen. Stattdessen spannte der Stoff unter ihrem Arm und an ihrem Rücken, sodass sich der Reißverschluss beim besten Willen nicht schließen ließ.
„Ziehen Sie den Bauch ein“, befahl Monsieur Pierre.
„Das tue ich bereits“, erwiderte Hannah. „Mehr geht nicht.“
In einer Geste der Verzweiflung warf Monsieur Pierre die Hände in die Luft. „Wenn dieses Kleid zu klein ist, dann wird Ihnen das Hochzeitskleid auch nicht passen. Ihre Hüften und Ihre Brüste sind zu groß. Wie viel haben Sie in letzter Zeit bloß gegessen?“
„Nicht so viel“, antwortete Hannah.
„Unsinn. Sie naschen wohl den ganzen Tag, Euer Hoheit. Seit Jahren schneidere ich jetzt schon Ihre Kleider, und Sie haben von mir immer verlangt, ich solle Ihnen die Wahrheit sagen. Also nehme ich kein Blatt vor den Mund. Sie sind fett geworden! Sie müssen sofort zehn Pfund abnehmen, oder Sie werden nicht in das Hochzeitskleid passen. Ich habe das Kleid für eine Prinzessin entworfen, nicht für eine Gewichtheberin.“
„Hinaus mit Ihnen, Pierre!“ Zales Stimme dröhnte durchs Ankleidezimmer. „Oder ich werfe Sie eigenhändig aus dem Palast.“
Er wandte sich an Lady Andrea. „Wie können Sie es
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