Julia Extra 0357
beiläufig, doch die Art, wie er völlig reglos dastand, während er auf ihre Antwort wartete, strafte seinen zur Schau getragenen Gleichmut Lügen.
Oh doch, Gabriel Santos, es gibt jemand Besonderen in meinem Leben! Und genau deswegen musst du von hier verschwinden, bevor du ihn zu Gesicht bekommst.
„Du hast nicht mehr das Recht, mich so etwas zu fragen“, teilte Laura ihm spröde mit. Die Frage, ob er selbst in einer festen Beziehung lebte, erübrigte sich, da sie die Antwort bereits kannte. Schließlich hatte er bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, dass er kein Mann war, der sich in Fesseln legen ließ.
Er stand jetzt so dicht bei ihr, dass er sie fast berührte. Wie durch einen Nebel nahm Laura das gedämpfte Tuscheln um sie herum wahr. Sicher starben schon alle vor Neugier zu erfahren, wer dieser umwerfend aussehende, elegante Fremde war.
Sie wusste, dass es höchste Zeit war, Gabriel zum Gehen aufzufordern, doch seine körperliche Nähe hatte sie bereits unwiderstehlich in ihren Bann gezogen. Ein warmer Schauer überlief sie, als ihr Blick auf seine kräftigen gebräunten Hände fiel, die einen aufregenden Kontrast zu den schneeweißen Manschetten seines maßgeschneiderten Hemds bildeten. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie es war, von diesen Händen berührt zu werden …
„Laura?“
Gegen ihren Willen richtete sie den Blick auf seinen Oberkörper, nahm seine breiten Schultern wahr und blickte schließlich in sein verboten attraktives Gesicht. Im flackernden Dämmerlicht sah sie die dunklen Bartschatten auf seinen Wangen und die Narbe an seiner Schläfe, die von einem Autounfall in seiner Jugend stammte. Sie sah den Mann, dem sie bis ans Ende der Welt gefolgt wäre, und den sie vermutlich bis in alle Ewigkeit lieben würde.
„Es ist schön, dich wiederzusehen“, sagte Gabriel leise, und das Lächeln, das dabei um seine Mundwinkel spielte, raubte ihr den Atem. Die fünfzehn Monate Trennung hatten ihn nur noch attraktiver werden lassen, während sie selbst von Tag zu Tag reizloser wurde.
Schon seit einer Ewigkeit war Laura nicht mehr beim Friseur gewesen, geschweige denn in einem Kosmetiksalon. Ihr einziges Make-up an diesem Abend bestand aus dem unvorteilhaften pinkfarbenen Lippenstift, den Becky ihr regelrecht aufgezwungen hatte. Das glanzlos gewordene Haar hatte sie sich vor der Trauung rasch zu einem Knoten im Nacken zusammengesteckt, aber Robby hatte daran herumgezerrt, sodass es ihr jetzt in unordentlichen Strähnen um Gesicht und Schultern fiel.
Bereits als Kind hatte Laura dazu geneigt, ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer zurückzustellen, doch seit sie alleinerziehende Mutter war, standen sie nicht einmal mehr auf der Liste. Morgens eine schnelle Dusche und das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden – mehr war in puncto Schönheitspflege nicht mehr drin. Außerdem hatte sie es immer noch nicht geschafft, die überflüssigen Pfunde von der Schwangerschaft loszuwerden, was Gabriel zweifellos ebenfalls bemerkt hatte.
Nervös rückte sie ihre schwarz gerahmte Brille zurecht. „Warum starrst du mich so an?“, fragte sie ihn defensiv.
„Weil du sogar noch schöner bist, als ich dich in Erinnerung habe.“
Unter seinem intensiven Blick schoss Laura das Blut in die Wangen. „Früher hast du viel besser gelogen.“
„Es ist wahr.“
Das Feuer, das in seinen dunklen Augen glomm, brachte ihre Haut zum Glühen. Nein, er sah sie nicht an, als würde er sie für unscheinbar halten. Tatsächlich kam es ihr vor, als ob …
An diesem Punkt ihrer Überlegungen wandte Gabriel sich unvermittelt von ihr ab, um seine Umgebung näher zu inspizieren. „Dies ist also Beckys Hochzeit …“
Bis zu diesem Augenblick hatte Laura geglaubt, dass es ihr gelungen war, das Haus sehr hübsch und festlich herzurichten. Doch als sie nun Gabriels abschätzigem Blick folgte, sah sie plötzlich, wie schäbig alles war: die selbstgebastelten Girlanden. Die billigen Lichterketten. Die leicht windschiefe, mit rosa Liebesperlen geschmückte Hochzeitstorte, an der sie die halbe Nacht gewerkelt hatte. Das zusammengewürfelte Buffet …
Selbstverständlich hatte Laura ihrer kleinen Schwester einen glanzvolleren Start in ihr zukünftiges Eheleben gewünscht. Aber was hätte sie sonst noch tun können, wo sie doch jeden Penny umdrehen mussten?
Als hätte er ihre Gedanken erraten, richtete Gabriel seinen Blick wieder auf Laura und sah sie forschend an. „Brauchst du Geld, Laura?“, fragte
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