Julia Extra 0357
er sie unverblümt.
Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „Nein“, log sie. „Es geht uns gut.“
Er betrachtete erneut die Gäste mit ihren Papptellern auf den Knien und dann Lauras selbstgenähtes Kleid. „Ich war nur überrascht, dass dein Vater sich nicht mehr für Becky ins Zeug gelegt hat. Selbst wenn das Geld knapp ist.“
Eine eisige Hand griff nach Lauras Herz. „Das konnte er nicht“, brachte sie mit tonloser Stimme hervor. „Er ist vor vier Monaten gestorben.“
Gabriel zog hörbar die Luft ein. „Was sagst du da?“
„Er hatte während der Ernte einen Herzinfarkt. Als er nicht zum Abendessen nach Hause kam, gingen wir ihn suchen, und fanden ihn schließlich auf seinem Traktor. Aber da war es schon zu spät.“
„Oh Laura …“ Gabriel nahm ihre Hand. „Es tut mir so leid.“
Sie spürte sein Mitgefühl, seine Betroffenheit. Und seine tröstliche Wärme. Nach dieser Berührung hatte sie sich das ganze letzte Jahr und die fünf Jahre davor gesehnt …
Abrupt zog Laura ihre Hand zurück. „Danke“, sagte sie und blinzelte die Tränen zurück. „Natürlich fehlt er uns allen sehr, besonders an einem Tag wie diesem. Aber wir kommen zurecht.“
In Wahrheit kämpften sie seit Wochen ums Überleben. Die kleine Farm hatte nie viel abgeworfen, und nach dem langen, harten Winter waren sie so gut wie pleite. Verschärfend kam noch hinzu, dass die Bank ihnen nach dem Tod von Lauras Vater kein neues Darlehen gewähren wollte, sodass sie im Moment nur durchhalten und beten konnten, dass es im nächsten Jahr besser lief.
„Tom, Beckys Mann, wird hier einziehen und von jetzt an die Farm bewirtschaften.“ Laura hob das Kinn und versuchte, ein zuversichtliches Lächeln zustande zu bringen. „So kann Mum weiter hier leben, und es ist immer jemand da, falls sie einmal Hilfe braucht.“
„Und du?“, fragte Gabriel ruhig.
Laura presste die Lippen zusammen. Seit heute wohnten sie und Robby im Schlafzimmer ihrer Mutter. Das Haus verfügte nur über drei Schlafzimmer, und sie konnte sich jetzt nicht länger das Zimmer mit Becky teilen. Das dritte Zimmer bewohnten ihre beiden jüngsten Schwestern Hattie und Margaret. Natürlich hatte Ruth beteuert, dass sie entzückt sei, ihren Enkel bei sich zu haben, aber sie alle wussten, dass die Situation alles andere als ideal war.
Ein Job musste her, und zwar dringend! Und eine eigene Wohnung. Laura war die älteste der vier Parker-Töchter. Sie sollte der Familie helfen, und nicht umgekehrt. Schon seit Monaten war sie auf Arbeitssuche, aber es gab einfach nichts. Nicht einmal für einen Bruchteil des Gehalts, das sie bei Gabriel verdient hatte.
Aber das würde sie ihm ganz bestimmt nicht auf die Nase binden.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, wieso du hier bist“, erinnerte sie ihn. „Hast du geschäftlich in der Gegend zu tun?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich versuche immer noch, den Açoazul-Deal in Brasilien abzuschließen.“ Auf seinem Gesicht war eine Spur von Anspannung zu erkennen. „Ich bin gekommen, weil ich keine andere Wahl hatte.“
Irgendwo im Haus wurde zu Gitarren- und Flötenbegleitung ein altes englisches Volkslied gesungen. Laura hörte Robbys fröhliches Lachen, und eine eisige Kälte kroch in ihr hoch. „Was meinst du damit, du hattest keine andere Wahl?“
„Kannst du es nicht erraten?“
Laura hielt den Atem an. Jetzt würde ihr schlimmster Albtraum wahr werden. Gabriel hatte irgendwie ihr Geheimnis herausgefunden und war gekommen, um Robby zu holen. Nicht aus Liebe, oh nein. Er würde es einzig und allein aus kaltem Pflichtgefühl heraus tun.
„Ich möchte, dass du jetzt wieder gehst, Gabriel“, flüsterte sie, am ganzen Körper bebend.
Er erwiderte grimmig ihren Blick. „Das kann ich nicht.“
Obwohl sie direkt neben dem Kaminfeuer stand, kam es Laura vor, als würde das Blut in ihren Adern gefrieren. Was hatte ihn hierher geführt? War es ein Gerücht, oder … Sie befeuchtete sich mit der Zungenspitze die trockenen Lippen und glaubte, die Anspannung keine Sekunde länger ertragen zu können.
„Jetzt hör doch um Himmels willen mit diesem Versteckspiel auf, Gabriel, und sag mir klipp und klar, warum du gekommen bist!“, forderte sie ihn entnervt auf.
Der Blick seiner dunklen Augen schien bis in ihr tiefstes Inneres vorzudringen. „Wegen dir Laura“, antwortete er ruhig. „Ich bin wegen dir gekommen.“
2. KAPITEL
Ich bin wegen dir gekommen …
Wie oft hatte Laura davon geträumt, dass Gabriel
Weitere Kostenlose Bücher