Julia Extra 360
Muskeln zu entspannen.
Er war versucht, ihr eine Massage anzubieten, ließ es aber bleiben. Für gegenseitige Entspannung zu sorgen stand nicht in ihrer Abmachung.
„Du hast das vorhin sehr überzeugend hinbekommen“, meinte Finn anerkennend. „Sogar ich hätte beinah geglaubt …“
„Was denn?“
„Dass du schwer in mich verliebt bist, Ellie.“
Sie lachte wieder, und das bewies ihm, dass sie vorhin nur eine Rolle gespielt hatte. Darüber war er froh.
Natürlich war er das!
„Schön, dass es funktioniert hat“, meinte Ellie. „Ich sehe dich dann später, okay?“
„Warte einen Moment. Hast du schon etwas vor bezüglich Mittagessen?“, erkundigte er sich und überlegte gleich darauf, ob er hier etwa ein Date vorschlug. Mit seiner Ehefrau! Oder ging es ihm eher um ein Arbeitsessen?
Jedenfalls erwarteten die Leute von ihnen, dass sie als frischgebackenes Ehepaar gemeinsam zu Mittag aßen. Er musste also auf jeden Fall die Fassade aufrechterhalten. Mehr steckte nicht dahinter.
„Ich habe ein Tiefkühlgericht im Bürokühlschrank und eine Mikrowelle auf dem Sideboard.“ Sie lächelte entschuldigend. „Ich esse fast immer im Büro.“
„Ich auch“, stimmte Finn zu.
Aber die Sonne schien so herrlich, der Tag war mild und duftete nach Frühling. Drinnen gab es nur filtrierte, klimatisierte Luft und eine sterile Büroumgebung. In so einem Ambiente verbrachte er üblicherweise mindestens fünf Tage der Woche, wenn nicht sogar sechs.
„Lass uns doch unten auf der Plaza etwas essen“, schlug er vor. „Es wäre nett, hier eine Weile rauszukommen, oder? Wie beide haben schon viel zu viele Nachmittage an unseren jeweiligen Schreibtischen verbracht.“
„An zwei Tagen hintereinander freinehmen? Mein lieber Finn, was werden die Leute bloß sagen?“
„Denen haben wir schon genug Stoff zum Klatschen gegeben, stimmt’s?“, hielt er dagegen.
Sie blickte zu ihm auf und lächelte so strahlend, dass es ihm durch und durch ging. Er schwor sich sofort, Ellie wieder zum Lächeln zu bringen.
Immer wieder.
„Oh ja, Mr McKenna, das haben wir“, bestätigte sie und nahm seine Hand. „Da kommt es auf das bisschen jetzt auch nicht mehr an.“
Ellie konnte sich immer weniger auf Finns Worte konzentrieren, je länger der Mittag fortschritt. Sie hatte auf dem Weg zur Arbeit morgens Linda angerufen und eine Nachricht hinterlassen, dass sie inzwischen geheiratet habe und auf einen Rückruf warte.
Das Warten erwies sich als nervenaufreibend. Die Konferenz hatte sie zum Glück abgelenkt, und Finn war es zu verdanken, dass sie jetzt nicht wie auf heißen Kohlen im Büro, sondern wenigstens an der frischen Luft saß. Sie hatte aber auch so ihr Handy mehrmals gecheckt, und zwar vergeblich, ob eine Nachricht von Linda eingetroffen war.
Finn hatte zwei Anrufe erhalten, und Ellie war beeindruckt von der Art, wie er mit seinen Geschäftspartnern umging. Effizient, kein Wort zu viel, dabei höflich, aber distanziert – so ließ sich sein Stil kurz umreißen.
„Ich kann verstehen, wie du zu deinem Spitznamen Hawk gekommen bist“, meinte Ellie, nachdem er einem Kunden erfolgreich eine Änderung ausgeredet und von einem Händler einen Preisnachlass für bestimmte Materialien erhalten hatte. „Du bist absolut unnachgiebig.“
„Ich mache nur meinen Job“, wehrte er ab.
„Und das sehr gut“, lobte sie. „Kommt das daher, dass du der Älteste bist?“
„Vielleicht. Ich habe nie darüber nachgedacht.“
„Jedenfalls funktioniert es.“ Sie spürte ihr Handy vibrieren und checkte das Display. Noch immer nicht Linda! Enttäuscht steckte sie den Apparat weg.
„Wartest du auf einen bestimmten Anruf?“, erkundigte Finn sich.
Sie nickte. „Von der Adoptionsbehörde. Ich habe die für mich zuständige Frau informiert, dass ich dich geheiratet habe, und warte jetzt darauf, dass sie sich meldet.“
„Und wie planst du das weiter?“, fragte Finn und betrachtete misstrauisch sein Sandwich, das sie bei einer Imbissbude gekauft hatten.
„Was? Das Interview mit der Behörde? Das müsste eigentlich relativ problemlos über die Bühne gehen.“
„Nein, Ellie, ich meinte, wie willst du allein ein Kind großziehen?“
„Das tun doch viele Frauen. Und auch Männer“, fügte sie fair hinzu.
„Aber die wenigsten von ihnen sind Direktoren von großen expandierenden Firmen.“
„Das stimmt auch wieder.“
Sie schaute in den Park auf der anderen Straßenseite, wo munteres Treiben herrschte. Kinder rannten
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