Julia Extra 360
dass der Besitzer es eindeutig zu etwas gebracht hatte.
Der Fahrer kümmerte sich um das Gepäck, während Emilio Gisele ins Haus geleitete. An der Tür wurden sie von einer adrett gekleideten Mittfünfzigerin mit einem ehrerbietigen Lächeln willkommen geheißen. „ Bentornata , Signorina Carter, willkommen zurück. Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung.“
„Grazie“ , bedankte Gisele sich. Zu dem Lächeln musste sie sich allerdings zwingen. Verlobung?! Ärger brodelte in ihr auf. Was dachte Emilio sich? Aber vor dem Personal konnte sie ihm keine Szene machen. Also stand sie da mit einem eingefrorenen Lächeln, wütend auf Emilio, der sie in eine derart unmögliche Position gebracht hatte.
Emilio sagte etwas auf Italienisch zu der Haushälterin, bevor er sich wieder an Gisele wandte. „Marietta wird deinen Koffer auspacken. Du solltest dich eine Weile ausruhen.“
Gisele dachte an Lilys Decke. Niemand sollte sie anfassen, sie sollte den Duft ihres Babys nicht verlieren. „Danke, aber das Auspacken übernehme ich selbst. Ich bin nicht daran gewöhnt, bedient zu werden. Außerdem habe ich ja nicht viel mitgebracht. Es ist mir ein wenig peinlich, aber ich brauche ein paar neue Sachen. Für solche Extras ist kein Geld übrig geblieben …“
Für einen Moment musterte er ihre rot angelaufenen Wangen, der Ausdruck in seinen Augen nicht zu deuten. „Es muss dir nicht peinlich sein. Du wirst die Garderobe bekommen, die du brauchst. Und wenn es dir lieber ist, kannst du natürlich selbst auspacken.“
Gisele ließ unmerklich den Atem aus den Lungen entweichen, während Emilio mit Marietta redete. Dann drehte er sich wieder zu ihr um und nahm ihre Hand.
„Wir haben noch etwas zu erledigen, sì ?“ Er schaute ihr tief in die Augen und strich über ihre Fingerknöchel. „Dein Verlobungsring liegt im Safe in meinem Arbeitszimmer.“
„Du hast ihn also aus dem Springbrunnen gefischt?“, fragte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Drei Klempner waren dafür nötig, aber ja, ich habe ihn wiedergefunden.“
Gisele wartete, bis sie allein in Emilios Arbeitszimmer waren, bevor sie ihrem Ärger Luft machte.
„Wie konntest du der Haushälterin den Eindruck vermitteln, wir wären verlobt? Ich habe zugestimmt, für einen Monat herzukommen, aber nicht als deine Verlobte!“, explodierte sie.
Emilio blieb völlig gelassen, zeigte eine Miene wie jemand, der sich einem störrischen Kind gegenübersah. „Nur die Ruhe, cara . Es gibt keinen Grund, hysterisch zu werden.“
„Ich bin nicht hysterisch!“, kreischte sie und stampfte zur Bekräftigung mit dem Fuß auf.
Seine Brauen zogen sich zusammen. „Sprich gefälligst leiser.“
Sie ballte die Fäuste an den Seiten. „Das hast du bewusst geplant, nicht wahr? Wenn ich erst diesen dummen Verlobungsring trage, kann ich eine offizielle Beziehung zu dir nicht mehr abstreiten!“
„ Cara , du bist übermüdet und gereizt … und unvernünftig. Natürlich wirst du den Ring tragen müssen, solange du hier bist. Es wird nicht nach einer echten Versöhnung aussehen, wenn wir nicht da ansetzen, wo wir aufgehört haben.“
Wütend funkelte sie ihn an. „Du glaubst, wenn du mir den Ring an den Finger steckst, gibt dir das automatisch das Recht, mit mir zu schlafen.“
„Du wirst mit mir schlafen, mit oder ohne Ring. In einem Zimmer. Ich werde keine Spekulationen beim Personal aufkommen lassen.“
„Ich schlafe lieber auf dem Boden, bevor ich mich mit dir in ein Bett lege.“
„Mir scheint, dass du nirgendwo schläfst“, erwiderte er trocken. „Auch wenn du während des gesamten Fluges die Augen geschlossen gehalten hast … mich kannst du nicht täuschen, cara . Deswegen bist du auch so ungenießbar. Du benimmst dich wie ein übermüdetes Kind, das längst ins Bett gehört.“
Unwirsch drehte sie sich um. Er sah viel zu viel. Sie befürchtete, dass sie sich mitten in der Nacht an ihn schmiegen könnte, wenn sie mit ihm in einem Bett schlief. Als wären die Albträume von Lily nicht schlimm genug, hatte sie im unruhigen Halbschlaf oft nach ihm gegriffen. Zwar hatte er die Beziehung mit ihr beendet, aber das hieß nicht, dass damit auch ihr Verlangen nach ihm automatisch ausgeschaltet worden war. Es hatte stets unter der Oberfläche geschwelt.
Sie hörte, wie er den Safe öffnete – die nächste Hürde, die sie zu überwinden hatte. Sie wollte nicht daran denken, wie übereifrig sie damals seinen Antrag angenommen hatte. Wie naiv und tölpelhaft, wie
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