Julia Extra Band 0193
Zügen hinunterschluckte, half auch nicht unbedingt dabei, einen klaren Kopf zu bekommen.
Die Musik spielte auf, Paare begannen zu tanzen. Irgendwann setzte Dray sich zu ihr und nahm wortlos ihre Hand. Es saßen noch andere am Tisch, Familie, enge Freunde, aber ihn schien es nicht zu kümmern.
„Das können wir nicht tun“, zischte sie ihm zu.
„Doch, können wir“, erwiderte er nur.
Und dann sprachen sie nicht mehr viel. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten war Cass nervös. Sie nippte an ihrem Drink und folgte den Tischgesprächen, ohne sich zu beteiligen.
Als die Feier langsam zu Ende ging und die Gäste immer weniger wurden, war es ganz natürlich, dass sie im Haus übernachten würde. Dray ging davon aus, und sie auch.
Er brachte sie in das Zimmer, in dem sie bereits am Nachmittag geschlafen hatte, legte ihr im Bad die Dinge in Reichweite, die sie brauchte, um sich für die Nacht vorzubereiten.
„Wenn du fertig bist, ruf mich. Ich trage dich dann zum Bett.“
Cass nickte nur stumm. Erst als sie allein war, konnte sie ihre Beherrschung fahren lassen. Sie hatte sich vorgestellt, wie er sie in das Zimmer tragen und verführen würde. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich so nüchtern geben würde. Sie kam sich versetzt vor, schlimmer noch, naiv und dumm, dass sie sich wie ein unreifer Backfisch solche Hirngespinste ausgemalt hatte.
Sie ignorierte das schmerzhafte Pochen ihres Herzens und machte sich für die Nacht fertig. Eingewickelt in den weißen Bademantel, ließ sie sich schließlich von ihm zum Bett tragen. Mit verschlossener Miene lehnte sie sich gegen die Kissen und zog die Bettdecke über die Beine.
„Dann also gute Nacht.“ Er trat von ihrem Bett zurück.
Ohne den Blick zu heben, murmelte sie ebenfalls: „Gute Nacht.“
Sie sagte es so knapp, dass Dray den Grund dafür erkannte. Er hatte sich zurückgehalten, wollte sich richtig verhalten – doch mittlerweile fragte er sich, was das richtige Verhalten wohl sei. Nachdenklich schaute er sie so lange an, bis sie den Kopf hob.
Die Wahrheit traf sie wie ein Schlag. Er begehrte sie, sie konnte es in seinen Augen lesen. Und es kostete ihn erhebliche Mühe, dieses Begehren zu beherrschen.
„Wenn ich dich jetzt küsse“, hob er leise an, „werde ich nicht mehr aufhören können. Verstehst du das?“
„Ja.“
„Ich glaube nicht, dass du schon bereit dafür bist. Deshalb möchte ich warten.“
Cass musste ihm recht geben. Nein, sie war nicht bereit für ihn, würde es nie sein. Er war einfach zu … zu alles. Zu attraktiv, zu intelligent, zu anziehend, zu reich. Und sie? Sie war nicht mehr als ein recht ansehnliches Kleinstadtmädchen.
Aber wenn es jetzt nicht passierte, würde es nie passieren. Morgen würde sie aufwachen, sich wieder in der realen Welt befinden und einsehen, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft gab.
Nein, jetzt war der Moment. Der einzige.
Sie sah ihm nach, wie er zur Tür ging und sich umdrehte.
„Ich möchte aber von dir geküsst werden.“
Schweigen. Cass hielt den Atem an. Sie kam sich unendlich dumm vor. Wenn er jetzt nicht reagierte … Doch dann hörte sie die leisen Schritte auf dem Teppich, die in ihre Richtung kamen.
Er setzte sich auf die Bettkante zu ihr. Es war zu dunkel im Zimmer, um sein Gesicht genau zu erkennen, aber seine Stimme klang sehr, sehr zärtlich.
„Bist du sicher?“
„Ja“, murmelte sie zögernd.
„Das hört sich aber nicht so an.“
„Doch, ich bin sicher. Aber falls du deine Meinung geändert haben solltest …“
„Du kleine Närrin“, unterbrach er sie sanft, und dann lag sie in seinen Armen, und er küsste sie. Und wie er vorhergesagt hatte, konnte er nicht mehr aufhören.
In jener Nacht liebten sie sich zum ersten Mal, viele weitere Male folgten. Die folgenden drei Wochen waren das Paradies. Sie gingen gemeinsam aus, zum Essen, ins Theater. Verbrachten die Wochenenden zusammen, lachten zusammen und sprachen über Gott und die Welt. Cass schwebte im siebten Himmel, nur manchmal konnte sie es immer noch nicht so recht glauben – das Mädchen aus dem Supermarkt und der Tycoon.
Dann kamen Pen und Tom aus den Flitterwochen zurück. Und es war vorbei. Dray ließ sie fallen wie eine heiße Kartoffel. Keine Erklärung, kein Wort mehr von ihm.
Pen hatte versucht, sie zu trösten. Cass solle das nicht auf sich persönlich beziehen, Dray ginge immer so vor. Er holte sich, was er wollte, und wenn er es hatte, verlor er sofort das Interesse.
Den Schmerz hatte es nicht
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