Julia Extra Band 0193
was zwischen ihr und Dray bestand, etwas ganz Besonderes war. Das Taxi kam, sie griff nach Mantel und Tasche und ließ Pen stehen. Sie hörte auch nicht mehr, dass Pen ihr etwas nachrief.
Als Dray nicht zur verabredeten Zeit im Restaurant auftauchte, dachte sie sich nichts dabei. Sicher war er aufgehalten worden, er verspätete sich eben. Sie wartete eine volle Stunde an der Bar, bevor ihr dämmerte, dass er nicht kommen würde.
Es war bereits nach zehn, als sie zu Hause ankam, aber Pen war immer noch da.
„Dray ist nicht gekommen“, sagte sie nur knapp zu ihrer Schwester.
„Oh, Cass, das tut mir so leid.“ Pen verzog das Gesicht. „Ich sollte dir doch etwas ausrichten, aber du bist so schnell hinausgerannt. Dray bat mich, dir zu sagen, dass er nicht kommt.“
„Oh, Pen!“ Cass war verärgert, aber auch erleichtert. „Ist er etwa krank? Ich rufe ihn wohl besser an.“
„Nein, er ist nicht krank. Er ist weggefahren.“
„Weggefahren? Wohin?“
„Nach Paris.“
„Geschäftlich?“
Pen zögerte, aber dann schüttelte sie den Kopf.
Cass meinte Mitgefühl in Pens Miene zu sehen und schloss daraus: „Er ist mit jemand anders dorthin gefahren?“
Diesmal nickte Pen sofort, und Cass sah ihre ganze Welt mit einem Schlag in Trümmer versinken. Sie fragte nicht weiter, sie würde es nicht ertragen können, Details zu hören. Als Pen anbot, bei ihr zu bleiben, nickte sie nur stumm, verschloss ihre wahren Gefühle in ihrem Innern und sich selbst in ihrem Zimmer.
Pen blieb die nächsten Tage in London, da Tom geschäftlich unterwegs war. Cass weigerte sich, sich bei ihrer Schwester auszuweinen, doch es war zu merken, wie zuvorkommend und rührend besorgt sich Pen um ihre große Schwester kümmerte. Und als das Wochenende näher kam, das Wochenende, das Cass bei Dray in North Dean Hall hatte verbringen sollen, schlug Pen vor, sie solle die Cousine ihrer Mutter in Yorkshire besuchen.
Cass willigte ein, und als sie nach London zurückkehrte, war sie fest entschlossen, Drayton Carlisle unter der Rubrik „bittere Erfahrungen“ abzuheften.
Sie hätte nicht geglaubt, noch von ihm zu hören. Doch zwei Wochen nach dem Bruch rief er aus heiterem Himmel an.
„Cass, wir müssen miteinander reden“, sagte er, ohne die geringste Spur von Reue oder Verlegenheit in seiner Stimme.
„Nein, müssen wir nicht“, war ihre Antwort, und damit legte sie den Hörer auf.
Wahrscheinlich glaubte er deshalb, sie hätte die Beziehung beendet. So ein Unsinn! Er war mit einer anderen Frau nach Paris gefahren! Diesen Schmerz, diese Eifersucht wollte sie nie wieder in ihrem Leben durchmachen müssen. Nie mehr!
Sie kehrte erst in die Gegenwart zurück, als sie bereits vor North Dean Hall vorfuhren.
Fast hatte sie erwartet, dass er sie allein lassen würde, sobald er Ellies Sachen und ihre Tasche ins Haus getragen hatte, doch er folgte ihr in die Küche, wo sie die Milch für das Baby zubereitete und die Kleine fütterte.
Cass versuchte, seine Anwesenheit zu ignorieren, doch immer wieder musste sie sich fragen, was er wohl dachte. Wunderte er sich, wie er sich je mit jemandem wie ihr hatte einlassen können? Oder wollte er nur sicherstellen, dass sie wirklich mit Babys umzugehen wusste? Immerhin hatte sie ja angeblich ein eigenes gehabt.
Sie ärgerte sich, es nicht abgestritten zu haben, aber jetzt war es zu spät, um dieses Missverständnis aus der Welt zu schaffen.
„Ich gehe nach oben“, sagte sie schließlich, als sie den forschenden Blick aus den blauen Augen nicht mehr ertragen konnte.
„Gute Nacht“, sagte er nur.
Es war die gleiche Prozedur wie gestern Abend: Ellie ausziehen, baden und ins Bett legen, sich selbst für die Nacht vorbereiten und im Zimmer nebenan zu Bett gehen.
Dieses Mal jedoch lag Cass wach und lauschte gespannt auf Schritte, die nicht kamen. Zuerst sagte sie sich, sie sei erleichtert, doch dann musste sie sich eingestehen, dass es nicht Erleichterung war, was sie fühlte. Sondern Enttäuschung.
Vor drei Jahren hatte sie Drayton Carlisle geliebt. Sie hatte ihn geliebt, obwohl sicher hundert gute Gründe dagegen gesprochen hatten. Und jetzt, drei Jahre später, hatte sich nichts geändert.
Sie gehörte ihm immer noch.
9. KAPITEL
Aber er wollte sie nicht. Es hätte genügend Gelegenheiten gegeben, denn sie blieb immer länger. Erst eine Woche, dann eine zweite, ebenso lange, bis ein Kindermädchen gefunden war. Doch Dray schien plötzlich weder Zeit noch Lust zu haben, sich darum zu
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