Julia Extra Band 0198
ängstlich. Dies war keine sichere Gegend für ein kleines Kind.
„Wir finden ihn, das verspreche ich dir.” Hunter stellte sich vor ihr auf und legte kurz seine Hände auf ihre Schultern, um sie ein wenig zu stärken. Weil er damals nie zurückgeblickt hatte, nachdem er Brewster County verlassen hatte, waren diese Schultern durch eine große Verantwortung und viel Schmerz belastet worden. Das konnte er gar nicht wiedergutmachen.
Eilig gingen sie dann weiter am Fluss entlang tiefer in den Wald hinein. Dort lag plötzlich Tylers Fahrrad verlassen an einem Baum. Abby unterdrückte einen Aufschrei. Mit seinen kräftigen Armen hielt Hunter sie fest umschlungen, während sie weinte. „Wir finden ihn schon”, wiederholte er immer wieder. „Aber jetzt sollten wir den anderen Bescheid sagen, was wir entdeckt haben. Lass uns zum Auto zurückgehen und vom Autotelefon aus anrufen!”
„Nein, wir sind schon so dicht dran, und die Sonne wird in ein paar Stunden untergehen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.”
Sie gingen noch tiefer in den Wald hinein. Doch wo Abby immer mehr die Orientierung verlor, kannte Hunter sich immer besser aus. „Das Haus meines Vater war genau da drüben”, erklärte er und zeigte in eine Richtung. „Als ich klein war, habe ich mich hier draußen oft versteckt. Du weißt ja, er hat ziemlich viel getrunken. Dort drüben ist übrigens eine Höhle.”
„Eine Höhle!” Voller neuer Hoffnung beeilten sie sich, dieses ehemalige Versteck von Hunter zu erreichen. Fünf Minuten später hörten sie Tylers Stimme.
„Mom! Mom!”, rief er.
„Tyler!”, rief Hunter zurück und rannte in die Richtung, aus der die Stimme seines Sohnes gekommen war. „Tyler!”
„Dad!” Mit tränenüberströmtem Gesicht rannte Tyler in die Arme seines Vaters und ließ sich von ihm hochheben. Sein kleines T-Shirt war zerrissen. „Oh Dad! Es ist so gruselig. Da sind überall kleine Tiere! Und eine Biene hat mich fast gestochen!”
„Ich weiß, ich weiß”, lachte Hunter und ließ seinen eigenen Tränen freien Lauf. Er spürte, wie ihn eine brennende Liebe durchfloss. Von seinem eigenen Sohn
Dad
genannt zu werden, war ein unbeschreibliches Gefühl. Tyler liebte seinen Vater bedingungslos, und Hunter wollte diese Liebe, die er selbst so dringend brauchte, erwidern.
Überwältigt drehte er sich um und sah Abby an. Obwohl sie es nicht erwarten konnte, ihr Kind in ihre Arme zu schließen, ließ sie Hunter für diesen wichtigen Moment mit Tyler in Ruhe. Hunter war nie in seinem Leben einer großzügigeren Person als Abby begegnet, und in dieser Sekunde sah er sie in einem anderen Licht. Sie stand dort einfach allein und wartete.
Ihm wurde klar, dass er sie davon ausschloss, einen wundervollen Augenblick mit ihrem gemeinsamen Sohn zu erleben. Beschämt darüber, dass er sich so rücksichtslos verhielt, stellte er Tyler wieder auf den Boden. Der kleine Junge rannte sofort in die Arme seiner Mutter.
„Mom! Ich habe solche Angst gehabt.”
„Das weiß ich, mein Schatz”, sagte sie beruhigend und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. „Du bist schon ein großer Junge, aber du brauchst immer noch jemanden, der dir im Wald helfen kann.”
„Ja!”, rief Tyler und schluchzte noch etwas Unverständliches.
Spätestens jetzt war klar, dass sie Tyler nicht bestrafen würden. Er hatte eine schmerzhafte Lektion gelernt und war genug abgeschreckt worden, nie wieder ein solches Risiko einzugehen. Natürlich würden sie noch einmal ernsthaft mit ihm sprechen müssen, damit er nicht wieder ohne Erlaubnis davonlief. Aber fürs Erste wollten sie die Wiedersehensfreude genießen.
Von seinem Wagen aus rief Hunter die Polizei an und gab ihnen Bescheid, dass Tyler gefunden worden war. Die Suchmannschaften wurden aufgelöst, und Hunter, Tyler und Abby fuhren zuerst ins Restaurant, um die letzten Freunde zu beruhigen, und dann nach Hause.
Sobald sie das Haus betraten, setzte Abby das Abendessen auf wie an jedem anderen Tag. Hunter brachte Tyler nach oben und half ihm, sich zu baden und umzuziehen. Dabei verspürte Hunter wieder das schlechte Gewissen, dass er Abby aus dem Leben ihres Sohnes verdrängte und ihn dieser Umstand so bedrücken würde.
Nur plötzlich wurde ihm klar, dass seine Traurigkeit woanders herrührte. Es machte ihn fertig, dass er jemanden verletzte, den er liebte. Er liebte sie. Leidenschaftlich. Bedingungslos. Und dabei hatte er sie immer nur verletzt.
13. KAPITEL
„Abby, ich liebe dich.”
Sie sah nicht
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