Julia Extra Band 0198
backen. Als schließlich Hunter und Tyler herunterkamen, war sie bis über beide Ellbogen mit Mehl verschmiert und hatte einen Großteil ihrer Frustration mit aller Kraft in den Teig geknetet.
„Alles erledigt?”, erkundigte sie sich mit gespielter Freundlichkeit.
„Alles erledigt”, entgegnete Hunter grimmig.
Es war nicht sein Tonfall oder der Schmerz in seinen Augen. Auch nicht Tylers verletzter Gesichtsausdruck ließ sie an der logischen Entscheidung zweifeln, dass sie nicht zusammenleben konnten. Es war die Art, wie Hunter Tylers kleine Hand in seiner hielt.
Sie fühlte sich unwillkürlich wie eine böse Hexe, die dem Glück zweier Helden im Weg stand. „Soll ich dir helfen, deine Sachen ins Auto zu bringen?”
„Nein, danke.” Mit einem Seufzen kniete er sich neben seinen Sohn. „Ich komme am Sonntag vorbei”, versicherte er ihm. „Sei um neun fertig, dann verbringen wir den ganzen Tag miteinander!” Hunter sah zu Abby hoch. „Und essen zusammen Abendbrot, wenn das in Ordnung ist.”
„Sicher”, bestätigte Abby mit erstickter Stimme.
„Na, dann lauf mal los! Deine Mutter und ich haben noch etwas zu besprechen.”
Tyler nickte mit verschlossener Miene. Abby hatte nie in ihrem Leben ihrem Sohn etwas verwehrt und ihre eigenen Bedürfnisse über seine gestellt. Sie konnte kaum glauben, dass sie nun damit anfing.
„Hunter”, begann sie, nachdem Tyler mit hängenden Schultern den Raum verlassen hatte.
„Nein”, unterbrach Hunter sie. „Bevor du etwas sagst, gib mir die Chance, etwas zu erklären! Ich werde nicht zulassen, dass Tyler auf irgendetwas verzichten muss, nur weil du zu störrisch und zu stolz bist, um mein Geld anzunehmen.” Hastig fingerte er sein Portemonnaie heraus und legte eine Fünfhundertdollarnote auf den Küchentisch. „Und wenn du dir vielleicht selbst ab und zu etwas leisten würdest, dir ab und an etwas Gutes gönnen würdest, wärst du nicht so …”
„… so unvernünftig? Ich habe die Absicht, deine Unterhaltszahlungen anzunehmen”, erklärte sie steif. „Aber zwei Dinge möchte ich klarstellen. Erstens ging es Tyler und mir auch ohne dein Geld gut. Er hat deswegen nie auf etwas verzichten müssen. Und zweitens bin ich nicht unvernünftig.”
Verlegen rieb sich Hunter den Nacken. „Es tut mir leid. Das war unangebracht.”
„Ist schon gut”, sagte Abby schlicht. „Das verstehe ich.”
„Tust du das?” Er sah ihr fest in die Augen. „Verstehst du, wie es ist, plötzlich einen Sohn zu haben? Die ersten sechs Jahre seines Lebens verpasst zu haben und ihn dann nur Stück für Stück in seinem Leben haben zu dürfen?”
Mühsam hielt Abby ihre Tränen zurück. „Ganz offen, Hunter, kenne ich das Gefühl sehr gut, irgendwo nicht dazuzugehören. Ich glaube viel eher, dass du meine Seite nicht verstehen kannst.”
Er lachte verbittert. „Oh ja. Diesen Satz habe ich vor Gericht während meiner Scheidung jeden Tag gehört.”
„Dann sollten wir wohl dafür dankbar sein, dass wir nicht geheiratet haben.”
„Das sollten wir wohl”, stimmte er zu, nickte und ging zur Tür. Dort blieb er plötzlich stehen. „Nur nebenbei, ich wünschte, ich könnte an die Dinge glauben, an die du glaubst. Das wünschte ich mir wirklich. Aber ich sehe sie nicht, nicht für uns beide.”
Nachdem er verschwunden war, fühlte Abby sich nur noch wund und leer. Er hatte es deutlich ausgesprochen, dass sie beide keine Chance mehr miteinander hatten.
Er vertraut mir nicht, dachte sie wie betäubt. Aber er räumt ein, irgendwann jemand anderem vertrauen zu können. Jetzt nimmt er mir nicht nur die Hälfte von Tylers Liebe, sondern ich werde eines Tages ertragen müssen, dass er sich in eine andere Frau verliebt.
12. KAPITEL
Abby erwachte am nächsten Morgen zu strahlendem Sonnenschein. Sie fragte sich, wie sie ihren Wecker hatte überhören können. Aber immerhin hatte sie die halbe Nacht nicht geschlafen. Die Sorge, mit Hunter einen Fehler gemacht zu haben, und die Trauer darüber, dass sie ihn endgültig verloren hatte, hatten ihr den Schlaf geraubt.
Es war schon halb zehn, obwohl Abby sich sicher war, dass sie den Wecker auf sieben Uhr gestellt hatte. Der Alarm war aber ausgeschaltet.
Verwirrt stand sie auf und ging hinüber in Tylers Zimmer. Sein Bett war leer, und auf dem Kopfkissen lag ein Zettel.
Verwundert nahm Abby ihn in die Hand. Tyler hatte ihr noch nie eine Nachricht hinterlassen und war einfach irgendwohin gegangen. Erschrocken entzifferte sie seine
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