Julia Extra Band 0198
zwanzig. Doch fühlte sie sich älter, da sie die letzte Pflegefamilie vor einigen Jahren verlassen hatte und allein in einer kleinen Wohnung lebte. Sie hatte nur ein Zimmer und eine kleine Küchenecke, und Pippa fiel es nicht leicht, mit dem wenigen Geld, das sie verdiente, auszukommen, doch war sie froh, endlich auf eigenen Beinen zu stehen.
Sie trug nur einfache Kleidung, da sie sich nichts Teures leisten konnte, doch machte sie auch in einer einfachen Bluse einen netten und anständigen Eindruck. Außerdem legte sie Wert darauf, körperlich fit zu sein. Ihr Essen bestand in der Hauptsache aus Obst und Gemüse, das sie auf einem nahe gelegenen Markt einkaufte. Da sie selbst nicht einladen konnte, nahm sie auch nur sehr selten Einladungen an. Ein- oder zweimal war sie mit einem Kollegen ausgegangen, doch hatte sie die jungen Männer nicht sehr anziehend gefunden.
Als es Zeit war, von den Kollegen Abschied zu nehmen, fühlte Pippa sich traurig. Die Männer und Frauen, mit denen sie seit vier Jahren beinah jeden Tag verbracht hatte, würden ihr sicher fehlen. Da war es eine große Erleichterung, bereits einen neuen Job gefunden zu haben. Sonst hätte sie nicht einmal ihre Miete zahlen können. Und das war nach allem, was sie in ihrer Kindheit erlebt hatte, ein wahrer Albtraum für Pippa.
Sie war ziemlich nervös, als sie am nächsten Montag das Büro der Personaldirektorin betrat, doch zum Glück wurde sie von einer sympathischen jungen Frau begrüßt.
„Wissen Sie, für wen Sie arbeiten werden?”, fragte diese und wartete gar nicht erst die Antwort ab. „Für Mr Harding. Er ist ein fantastischer Mann. Und sehr nett. Aber er ist verheiratet. Mit einem Fotomodell. Manchmal sieht man die beiden in den Zeitungen, sie geben ein Traumpaar ab.”
„Worin besteht mein Job”, fragte Pippa, da sie an solchem Klatsch nicht interessiert war.
Die andere Frau zuckte mit den Schultern.
„Nichts Besonderes. Briefe schreiben, Telefonate entgegennehmen, am Computer tippen. Im Büro von Mr Harding arbeiten sechs Frauen wie wir und die Chefin, Miss Dalton, ist ein wahrer Drache.”
„Die Personalchefin hat mir gesagt, dass sie sehr gut organisieren würde.”
„So kann man das auch sehen. Ich würde mich aber vor ihr in Acht nehmen.”
Dass das nicht übertrieben war, verstand Pippa einige Minuten später, als sie das Büro von Miss Dalton betrat. Felicity Dalton war keine schöne Frau, doch ging von ihr eine unglaubliche Energie aus. Sie war groß und schlank, trug ein streng geschnittenes Kleid und die Haare fest zusammengebunden. Die weiße Bluse unterstrich ihre weibliche Brust, ohne dass das erotisch wirkte. Ganz im Gegenteil, diese Frau machte den Eindruck, aus Eis zu sein. Vor allem Menschen des eigenen Geschlechts brachte sie kühle Distanz entgegen. Jetzt musterte sie Pippa von Kopf bis Fuß. Dann gab sie einige kurze Anordnungen und wandte sich ab.
Vom Nebenschreibtisch drehte sich eine junge Frau zu Pippa.
„Die hat es in sich, nicht wahr?”, fragte sie lächelnd. „Übrigens, ich bin Judy.”
Sie hatte ungefähr das gleiche Alter wie Pippa. Mit dem Puppengesicht, den braunen Augen und den langen Locken machte sie einen fröhlichen, sympathischen Eindruck.
„Hallo, ich heiße Pippa.”
„Schöner Name. Meiner ist ja ziemlich gewöhnlich”, seufzte Judy. „Wenn du Hilfe brauchst, frag mich einfach. Ich habe auch erst vor Kurzem hier angefangen und weiß, dass das nicht immer einfach ist.”
In der ersten Woche war Pippa tatsächlich immer wieder auf Judy angewiesen, da sie nicht sicher war, den richtigen Brieftyp zu wählen. Judy aber kannte die Arbeit hier bereits auswendig. Der Managing Director war diese Woche nicht im Büro, sodass sie weniger als gewöhnlich zu tun hatten.
„Wie sieht er eigentlich aus?”, fragte Pippa Judy in einer Pause.
„Sehr sexy. Die Dalton ist ganz vernarrt in ihn, aber sicher wird sie niemals bei ihm landen. Seine Frau sieht fantastisch aus. Da hat er keinen Blick für die Dalton. Das macht sie ja gerade so wild. Deshalb zeigt sie uns auch immer die Krallen; wenn sie sich nicht wohlfühlt, will sie wenigstens, dass alle hier leiden.”
„Arme Miss Dalton”, sagte Pippa ehrlich, da ihr die Chefin wirklich leidtat.
„Du brauchst kein Mitleid mit ihr zu haben”, erwiderte Judy. „Nur weil sie Kummer hat, braucht sie uns das Leben doch noch lange nicht zur Hölle zu machen.”
„Stimmt. Aber sag mal, wie ist es denn, für Mr Harding zu arbeiten?”
„Er
Weitere Kostenlose Bücher