Julia Extra Band 0198
habe ein Zimmer gemietet.”
Er verzog das Gesicht.
„Ich an Ihrer Stelle würde mir etwas anderes suchen. Das Haus sieht so aus, als ob es nicht gerade im besten Zustand wäre. Gibt es dort Ratten?”
„Ich hoffe nicht, aber ich habe schon einmal Mäuse gesehen. Aber ich würde sie niemals töten, schließlich brauchen die auch einen Platz zum Leben. Genauso wie ich. Die Wohnung hier ist billig und relativ geräumig. Außerdem habe ich mich daran gewöhnt.”
„Wo lebt Ihre Familie?”
Sie zögerte. Sollte sie ihm die Wahrheit sagen, oder wäre das nicht zu vertraulich? Sie entschied sich, ehrlich zu sein.
„Ich habe keine Familie.”
Er schaute sie überrascht an.
„Keine Eltern?”
„Nein, überhaupt keine Familie.”
Seine grauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Pippa wandte den Blick ab, da sie spürte, wie er sie von Kopf bis Fuß musterte.
„Wie lange sind Sie schon allein?”
„Seit immer.” Wieder fragte sie sich, ob es nicht ein Fehler sei, zu offen zu sprechen. Dann aber erklärte sie: „Ich bin ausgesetzt worden und habe nicht die geringste Ahnung, wer meine Mutter ist.”
Es herrschte einen Augenblick lang Stille, dann sagte er mitfühlend: „Das tut mir leid. Ihre Kindheit kann nicht sehr schön gewesen sein. Ich hingegen war sehr glücklich. Ich habe eine Schwester. Leider sind meine Eltern verstorben. Und ich bin verheiratet und habe ein Kind. Das nennt man wohl richtige Wurzeln.”
„Ja”, sagte sie leise. Genau das war es ja, wovon sie auch träumte. Endlich flüsterte sie: „Ich muss jetzt gehen. Vielen Dank, dass Sie mich nach Hause gebracht haben, Mr Harding.”
Er sah ihr lange nach, wie sie zu dem Haus ging und die Tür aufschloss. Pippa spürte das genau, doch drehte sie sich nicht um. Sie stand mit beiden Beinen fest auf der Erde, da wollte sie sich gar nicht erst einbilden, dass es vielleicht mehr zwischen ihr und ihrem Chef geben könnte. Oft dachte sie später an diesen Abend zurück. Sie hatte allein in der Küche gesessen, Musik im Radio gehört und an ihn gedacht.
Niemals zuvor hatte sie sich verliebt. Doch jetzt konnte sie einfach an nichts anderes mehr denken als an Randal Harding. Immer wieder sah sie seine grauen Augen vor sich, das leicht hintergründige Lächeln, die Kraft und die Anmut des starken Körpers, hörte die erotisch vibrierende Stimme. Sicher war er jetzt bei sich zu Hause. Ein sehr behagliches Zuhause mit liebender Frau und Kind. Ob er wohl wusste, wie glücklich er sich schätzen konnte?
Das war der Anfang. Sie sahen sich öfter im Büro, und bei jedem Treffen bedachte er Pippa mit einem Lächeln, das ihr Herz zum Rasen brachte. Sie versuchte, ruhig und gelassen zu bleiben und sich ganz auf die Arbeit zu konzentrieren, doch das war alles andere als einfach, da er ihr den Kopf verdrehte.
Einmal war Miss Dalton zu einer Geburtstagsfeier eingeladen und hatte für eine Stunde das Büro verlassen. Randal Harding rief Pippa in dieser Zeit zum Diktat.
Judy hatte gerade noch Zeit, Pippa ins Ohr zu flüstern: „Hoffentlich kommt die Dalton nicht zurück, wenn du bei ihm im Büro bist. Das ist doch schon komisch, dass er immer dich sehen will. Ist dir das auch schon aufgefallen?”
Pippa machte gar nicht erst den Versuch, darauf zu antworten, da sie auch nicht verstand, was eigentlich vor sich ging. Randal Harding schien sich tatsächlich für sie zu interessieren. Ob das daran lag, dass er erfahren hatte, dass sie ein Waisenkind war? Tat sie ihm einfach nur leid?
Als sie Mr Hardings Büro betrat, drehte er ihr den Rücken zu und starrte aus dem Fenster. Der Himmel war wolkenlos. Pippa atmete tief durch. Langsam drehte er sich um. Und wieder hatte sein Blick diesen attraktiven Ausdruck angenommen, dem Pippa sich kaum noch entziehen konnte.
„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Es geht dabei nicht um die Arbeit, Sie können also ablehnen, ohne dass das die geringsten Konsequenzen hat. Aber ich habe heute sehr viel zu tun und kann mich nicht selbst darum kümmern. Mein Sohn wird morgen fünf Jahre alt, und ich habe noch kein Geschenk für ihn. Meinen Sie, dass Sie etwas für ihn finden könnten?”
Damit hatte Pippa nun wirklich nicht gerechnet. Überrascht stammelte sie: „Vermutlich. Aber ich weiß ja gar nicht, was er mag und was er schon hat.”
„Ich dachte an einen Gokart.”
„Gut, das kann ich erledigen. Wann soll ich losgehen?”
„Nehmen Sie eine Stunde frei heute Mittag.”
Er reichte Pippa einige
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