Julia Extra Band 0198
gegen den Umstand, dass ich nicht wie ein Hungerkünstler lebe.”
Wie kann er es wagen, jetzt alles so zu verdrehen? Konnte er sich denn gar nicht vorstellen, wie dumm und erniedrigt sie sich gefühlt hatte, als sie herausfand, wer und wie erfolgreich er war? Für ihn war das Zusammentreffen mit ihr nur ein Spiel gewesen. Hatte er ihr wirklich jemals die Wahrheit sagen wollen?
“Mir ist es einerlei, ob du Millionär bist!” Sie schniefte und musste sich bemühen, ihre Tränen des Selbstmitleids zurückzuhalten. Ihren festen Vorsatz, ihm mit demonstrativer Gleichgültigkeit zu begegnen, hatte sie schon lange über Bord geworfen – schon von dem Moment an, als sie den ersten Anflug von sehnsüchtigem Verlangen gespürt hatte, was bereits in der Sekunde der Fall gewesen war, als er zur Tür hereingekommen war. “Wogegen ich allerdings etwas habe, ist das, belächelt, ausgelacht und belogen zu werden.” Sie seufzte und spürte ein Stechen im Magen.
“Hast du dich näher auf mich eingelassen, weil du dachtest, ich sei ein armer Handwerker?” Eine dunkle Augenbraue ging neugierig nach oben. “Oder hast du es vielleicht gar nur aus purem Mitleid getan?”
“Natürlich nicht, nein – weder aus dem einen noch dem anderen der genannten Gründe!”, zischte sie, außer sich, dass er so etwas von ihr auch nur denken konnte. “Ich tat es, weil …”
Nein!
Unter den gegebenen Umständen ließ Flora ihr Motiv lieber im Verborgenen; das, was sie an diesem Tag bereits an Demütigung hatte einstecken müssen, reichte ihr erst einmal.
“Warum aber ist es für dich ein so wichtiges Kriterium, womit ich mein Geld verdiene oder was ich von Beruf bin?”
“Es geht hier doch gar nicht darum, welchen Beruf du ausübst, sondern darum, auf welche Weise du dich amüsierst, wie du mit mir spielst, mit mir umspringst! Und darum, wie gekonnt du einen täuschen und einem etwas vorgaukeln kannst!” Je aufgebrachter sie wurde, desto schriller und lauter wurde ihre Stimme. “Gibst du immer dann, wenn du dich an einem Ort fern von zu Hause aufhältst, vor, jemand ganz anderes zu sein? Vielleicht auch, damit deine kleinen Ferienflirts dich nicht so leicht ausfindig machen können, nachdem du wieder abgereist bist?”
“Von Ferienflirt kann, was dich betrifft, wirklich keine Rede sein”, betonte er und beobachtete mit einiger Faszination, wie ihre nicht eben reichlich bedeckte Brust sich hob und senkte. Ihm fiel auf, dass Flora sich irgendwann an diesem Abend noch umgekleidet haben musste, um jemandem zu gefallen – aller Wahrscheinlichkeit nach doch ihm! Sie trug jetzt ein hautenges, dabei doch diskret wirkendes pastellblaues Kleid, das sich an den richtigen Stellen an den Körper anschmiegte. “Und wenn du willst, mache ich dir auch eine detaillierte Zeichnung, wo es langgeht, mich wiederzufinden.”
Floras Atmung wurde wieder etwas ruhiger. Er klang so aufrichtig, dass sie es schon als Kompliment empfand, aber andererseits konnte er eben auch blendend täuschen, rief sie sich in Erinnerung.
“Im Übrigen weißt du selbst ganz genau, dass ich schon seit sehr langer Zeit mit keiner Frau mehr enger zusammen war.”
Flora spürte, wie sie blass wurde. Plötzlich fand sie es unerträglich, länger den Augenkontakt zu diesem Mann zu halten. “Wissen tue ich da gar nichts”, zischte sie. Sie wusste nur, dass es ihr keineswegs so leicht fiel, mit einem Mann zu spielen wie umgekehrt er das leichtfüßig zu Wege brachte. Er hat dieses Thema bestimmt nur angeschnitten, um mich konfus zu machen, dachte sie jetzt wütend.
“Natürlich
weißt du es”, widersprach er ganz unaufgeregt. “Wäre es vielleicht möglich, dass wir uns fünf Minuten unterhalten, ohne dass du mir am liebsten an die Gurgel springen würdest? Und wenn ich bei der Gelegenheit erinnern darf – ich habe nie wörtlich behauptet, dass ich von Beruf Anstreicher bin … oder?”
“Du hast aber auch keinerlei Anstrengung unternommen, klar zum Ausdruck zu bringen, dass du Kunstmaler bist.” Was für Flora auf das Gleiche hinauslief.
“Stimmt. Aber als ich den Unterschied deutlich machen wollte, da ludst du mich zu dir ins Haus ein … und ich wollte einen triftigen Grund haben, danach noch einmal dorthin zu kommen, Flora.” Sein Blick, so voller Sehnsucht und Begierde, wirkte diesmal überzeugend ehrlich.
Flora hielt die Luft an; augenblicklich war ihre ganze Wut auf ihn verschwunden, ersetzt durch ganz schwärmerische Empfindungen.
“Wirklich?”,
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