Julia Extra Band 0213
schieflaufen könnte – was dann ja traurigerweise auch der Fall gewesen war.
Da hatte Jarrad eine plötzlich drängende Frage. “Hast du dir deshalb Matthew geschnappt, Chrissie?” Seine Stimme klang jetzt wieder etwas sanftmütiger. “Um dich an mir zu rächen, weil du mich indirekt dafür verantwortlich machtest, dass du dein eigenes Kind verloren hast?”
Bei diesen Worten zog Kendal erneut Matthew fester an sich. Der Kleine strampelte, denn er wollte endlich abgesetzt werden.
“Nein, ich wollte mich damit überhaupt nicht an dir rächen, Jarrad”, hörte Kendal nun ihre Schwester voller Inbrunst erklären. “Ich fand dich ehrlich immer sympathisch und hatte auch die ganze Zeit mehr Verständnis als Kendal für deine Maßnahme, Ralph zu entlassen”, erklärte Chrissie. “Denn eigentlich trage ich einen Großteil der Schuld am Verlust seiner Arbeit …, da ich ihn mit meinem Theater wegen unserer Kinderlosigkeit indirekt dazu trieb, die Frustration irgendwie zu kanalisieren, woraufhin er die Idee mit der Kreuzfahrt entwickelte und dann die der dazu nötigen Geldbeschaffung …”
Sie hielt inne und senkte den Blick. “Ich wollte danach alles wiedergutmachen, doch als wir in Italien den Streit hatten wegen der Adoptionsfrage – nun, ihr wisst ja schon … Allein zurückgekehrt fühlte ich mich elend. Als ich da andere Frauen mit Kindern sah, wollte ich plötzlich nichts sehnlicher, als mich um ein kleines Kind kümmern, das Zuwendung brauchte. Da dachte ich, auch Matthew brauchte davon mehr. Und als ich an jenem Tag – zufällig oder nicht – im Auto in die Gegend seiner Betreuerin kam … da machte ich den kleinen Umweg zu dem Haus …”
“Und da sah ich Matthew im Vorgarten spielen. Ich hielt an, lief an den Gartenzaun und rief ihn. Sogleich kam er mit ausgestreckten Ärmchen auf mich zu getrappelt und wollte von mir hochgehoben werden. Die Betreuerin stand ein Stück weit weg mit dem Rücken zu mir und sprach gerade zu einem anderen Kind. Und ehe ich mich recht versah, hatte ich den Jungen auch schon über den niedrigen Zaun gehoben … und in mein Auto gesetzt. Danach dachte nicht weiter als bis zu den nächsten Stunden …”
Jetzt sah sie Jarrad flehentlich um Verständnis bittend an. “Irgendwie habe ich insgeheim darauf gehofft, dass ihr mich suchen … und hier finden würdet … ohne Polizei. Ich war ratlos, wie es weitergehen sollte …”
Sie hielt inne und riss dann panisch die Augen weit auf, da plötzlich Jarrads Handy klingelte.
Er zog es aus der Jackentasche und meldete sich. “Mitchell.”
Hoffentlich nicht Lauren, dachte Kendal.
“Ja”, hörte sie ihn sagen. “Ja, mit ihr ist alles in Ordnung. Und mit Matthew auch. Nein …, wir bringen sie nach Hause.”
“War das … die Polizei?”, fragte Chrissie verschüchtert.
“Nein, Ralph.”
“Ralph? Oh …”
“Er ist gerade auf dem Weg vom Flughafen nach Hause”, sagte Jarrad leise. “Dort wartet er auf uns.”
“O nein!” Chrissie klang verzweifelt. “Er wird mich zur Hölle jagen, wenn er hört, was ich angerichtet habe!”
“Denkst du etwa, er weiß das nicht schon längst?” Jarrad klang nun leicht ungehalten.
Chrissie starrte auf ihr zerknülltes Taschentuch. “Muss ich ins Gefängnis?” Die Frage war unausgesprochen an Jarrad gerichtet.
Kendal hielt die Luft an, gespannt, was Jarrad darauf antworten würde.
“Ich werde alles daransetzen, dass es dazu nicht kommt”, hörte Kendal ihn zu ihrer Überraschung sagen. “Ich möchte meine eigene Schwägerin nicht anzeigen. Allerdings bin ich überzeugt, dass du psychologische Hilfe benötigst, Chrissie, und ich lege Wert darauf, dass in der Richtung etwas geschieht – so wie dies sicher auch jeder Richter anordnen würde. Ich will dich bei alledem unterstützen, so gut ich kann, aber du musst versprechen, guten Willen zu zeigen.”
Chrissie nickte daraufhin demütig. Dann brach sie abermals in Tränen aus. Diesmal waren es aber eher Tränen der Erleichterung.
Kendal sah Jarrad mit einiger Verblüffung an, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sich so milde und verständnisvoll seiner Schwägerin gegenüber zeigen würde. Gleichzeitig entging Kendal nicht, welch nervliche Belastung das ganze Geschehen der vergangenen angstvollen Tage auch für Jarrad war. “Danke”, flüsterte sie ihm voll ehrlicher Dankbarkeit zu, als Chrissie das Zimmer verlassen hatte.
Doch Jarrad war ganz in den Anblick des kleinen Matthew vertieft, wie er auf dem
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