Julia Extra Band 0258
erhellte.
Obwohl sie sich ein wenig vor dem Abend gefürchtet hatte, verlief das Essen in sehr lockerer Atmosphäre. Während der Minister mit Leo über Steuern und Finanzen sprach, plauderten seine Frau und Anna über alles Mögliche. Diese Kunst hatte Anna durch ihre Arbeit als Model zur Genüge gelernt.
Als es an der Zeit war, sich von dem Chauffeur wieder nach Hause fahren zu lassen, hatte Leo prächtige Laune. Der Minister hatte ihm seine Unterstützung bei seinen Bauvorhaben zugesichert und Anna die Gastgeber mit ihrem natürlichen Charme begeistert. Er erinnerte sich daran, wie unbekümmert Anna sich auf Schloss Herzogstein mit Hans Federmann unterhalten hatte. Als störte es sie überhaupt nicht, dass er langweilig und Mitte fünfzig war. Auch die Angestellten in der Villa mochten sie. Allen gegenüber legte sie ein unkompliziertes, freundliches Wesen an den Tag.
Sogar ihm gegenüber – heute Abend.
Gerade fragte sie ihn nach seinem Bauvorhaben im Süden.
„Dort entsteht ein ganzer Komplex von Villen und Bungalows“, antwortete er. „Die Regierung befürchtet, dass die Region völlig zugebaut wird. Davon abgesehen ist auch die Wasserversorgung ein Problem. Auf der Insel gibt es keine Flüsse, also müssen Wohnungen entsprechend geplant werden.“
Es war offensichtlich, dass er sich für das Projekt begeisterte. Also ließ Anna ihn weitersprechen. Hin und wieder stellte sie eine Frage.
„Ich zeige dir morgen die Anlage“, meinte er schließlich, als der Wagen durch das eiserne Tor auf die Einfahrt zur Villa fuhr.
„Okay“, stimmte sie zu.
Nebeneinander betraten sie das Haus. Leo humpelte immer noch.
„Wie geht es deinem Knöchel?“, fragte sie.
Missmutig verzog er das Gesicht. „Das ist ein verdammtes Ärgernis – aber es hat seine Vorteile.“ Er warf ihr einen Blick von der Seite zu. „Wie schön, dass du danach fragst“, murmelte er.
Halb abwehrend, halb verlegen zuckte sie mit den Schultern.
„Kaffee?“, fragte er.
„Ja, das wäre schön“, nickte sie dankbar.
Draußen, auf der Terrasse, setzte sich Anna in den Liegestuhl neben dem kleinen Tischchen und blickte über den in ein sanftes Licht getauchten Pool. Vom Wein, den sie während des Abendessens getrunken hatte, war sie schläfrig. Leo setzte sich in den zweiten Liegestuhl und legte seinen verletzten Knöchel hoch.
„Wie ist das passiert?“, fragte Anna. Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und füllte auch für Leo eine Tasse.
„Ich bin wie ein Anfänger beim Windsurfen vom Brett gefallen und mit dem Fuß in der Schlaufe hängen geblieben. Das Segel hat mich unter Wasser gedrückt“, erzählte er und nahm dankbar seinen Kaffee entgegen.
„Ich verstehe sowieso nicht, wie jemand auf diesen Brettern stehen und dann noch ein Segel festhalten kann.“
„Das ist nicht schwer. Ich bringe es dir bei.“
„Danke, aber meine Versicherung deckt Unfälle bei gefährlichen Sportarten nicht ab.“
„Du hast eine Unfallversicherung?“
„Natürlich. Eine Versicherung gegen Verdienstausfälle. Ich finde, das ist eine sehr besonnene Vorsichtsmaßnahme.“
„Besonnen?“, wiederholte Leo verdutzt. Besonnen? Eine Frau, die sich nichts dabei dachte, ein Rubinarmband zu stehlen, würde er wohl kaum als besonnen bezeichnen. Der heutige Tag hatte ihm eine ganz neue Seite von Anna Delane gezeigt.
Unwillkürlich wanderte sein Blick zu ihr. Der Abend war so schön gewesen, und dasselbe galt für den Tag, er wusste genau, wie alles enden sollte. Anna sah so fantastisch aus, so wunderschön, dass ihm ihr Anblick immer wieder den Atem raubte.
Mächtige und drängende Gefühle durchströmten ihn. Verlangen – intensiv und bohrend. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte sie in das nächste Schlafzimmer getragen. Zumindest dieses Gefühl kannte er, es überwältigte ihn jede Nacht.
Aber in sein Verlangen mischte sich etwas Unbekanntes. Er versuchte es einen Augenblick zu ergründen, doch dann gab er auf. Es war keine Wut, da war er sich sicher, auch keine Verärgerung oder Verdruss oder eines der anderen negativen Gefühle, die Anna normalerweise in ihm auslöste. Aber er hatte keine Ahnung, was genau er in diesem Moment empfand. Und weil er es nicht einordnen konnte, schob er es beiseite. Im Moment gab es nur eine einzige Sache, die ihn wirklich interessierte.
Nach einem weiteren Schluck Kaffee stellte er die Tasse ab.
„Bist du mit deinem Kaffee fertig?“, fragte er. Sein Tonfall war rau.
Hastig wandte Anna sich
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