Julia Extra Band 0258
verliert.“
Bei allem Stolz auf ihren Vater und seine Talente hatte Susan oft gedacht, dass es besser gewesen wäre, wenn er ein berühmter Astronaut oder Bienenzüchter gewesen wäre. Wer besaß schon ein Spaceshuttle oder einen Bienenstock …
„Erst wirft er mit den Figuren, dann kommt das Brett hinterher“, warnte Jake sie.
„Danke für die aufmunternden Worte“, erwiderte Susan. „Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann“, erklärte er.
„Meine Mitarbeiter sollen doch möglichst nicht zu Schaden kommen.“
Er nahm einen Bissen vom Fisch, und Susan stellte fest, dass es ihr gefiel, ihm beim Essen zuzusehen. Um nicht weiter ins Schwärmen zu geraten, versuchte sie es mit Smalltalk. „Was für Probleme hatten Sie? Was musste denn geregelt werden?“
Jake setzte sich gerade hin und legte die Hände auf den Tisch. Es waren schöne Hände. Lange schmale Finger mit gepflegten kurzen Fingernägeln. Er trug einen goldenen Ring mit einem kostbaren funkelnden Smaragd.
„Es ging um Sex.“
Irritiert sah sie ihn an. „Entschuldigung, ich wollte meine Nase nicht in Ihre Angelegenheiten stecken.“ Sie war knallrot geworden, schlimmer aber noch war der Stich, den sie innerlich fühlte. Jakes Sexleben war das Letzte, über das sie im Moment nachdenken wollte.
Er schaute sie eine Weile schweigend an und meinte dann: „Ich diskutiere selten bei Tisch über mein Sexleben.“ Er nahm die Gabel wieder in die Hand und setzte hinzu: „Auf Merit Island gibt es nur wenige Frauen. Manchmal ist es nötig …“
„Ach, bitte, es ist nicht nötig, dass sie für mich eine Ausnahme machen!“, fiel sie ihm ins Wort.
Er wollte gerade einen Bissen Fisch zum Mund führen und hielt nun inne. „Wie bitte?“
„Sie brauchen Ihr Sexleben auch nicht mit mir zu diskutieren“, erklärte sie ihm.
Amüsiert fragte er: „Sind Sie ganz sicher?“
Sie nickte und betete im Stillen, dass ihr Gesicht bald wieder eine normale Farbe annehmen möge. Das waren die Momente, in denen sie es hasste, dass sie einen so empfindlichen Teint hatte. Die Momente? Wann hatte sie denn schon mal so etwas erlebt wie das hier?
Jake legte seine Gabel wieder beiseite. „Okay, dann sind wir uns einig. Dass ich fortgerufen wurde, hatte nichts mit meinem Sexleben zu tun!“ Er verzog keine Miene, aber sie spürte, dass er sich über sie lustig machte. „Wie gesagt, hier auf der Insel gibt es nur wenige Frauen. Und Männer sind nun mal Männer. Das soll keine Entschuldigung sein. Aber manche verstehen das Wort ‚Nein‘ nicht. Und da hat es sich als nützlich erwiesen, wenn ich höchstpersönlich schwarzen Schafen erkläre, dass es auf Merit Island bestimmte Spielregeln gibt und sich Missetäter ziemlich umgehend hinter Gittern wiederfinden.“
Susan schalt sich im Stillen. Wann begriff sie endlich, dass es besser war, den Mund zu halten und höflich zu nicken? Genau das machte sie jetzt.
Er senkte den Blick. Als er sie wieder ansah, wirkte er ernst. „Es liegt mir nicht besonders, Leute einzuschüchtern.“
Es war schon beklemmend, sich das vorzustellen. „Du bist schon einschüchternd, wenn du lächelst“, murmelte sie vor sich hin und erschrak. „Haben Sie gehört, was ich eben gesagt habe?“
Jake nahm sein Weinglas in die Hand, sah ihr in die Augen und trank. Er setzte das Glas wieder ab, schmunzelte und meinte dann: „Sie sagten, dass mein Blick schon einschüchternd ist.“
Verlegen sah sie zur Decke. Warum war sie nur immer so unbedacht!
Ruhig meinte er: „Es ist nicht meine Absicht, Sie einzuschüchtern.“
„Die Sonne denkt sich auch nichts dabei, wenn Sie scheint“, erwiderte sie.
Er sah sie ernst an und meinte: „Ich kann also nichts dagegen tun?“
„Sie sehen gut aus, Sie sind mächtig, Sie sind reich …“ Erschrocken hielt sie inne. Da hatte sie sich mit ihrem losen Mundwerk ja wieder in eine peinliche Situation gebracht. Warumpassierte ihr so etwas nicht bei George? Warum war sie in Jakes Gegenwart nicht so beherzt und konzentriert wie bei seinem Vater? Der war doch derjenige, der andere einzuschüchtern versuchte.
Das Leben war ungerecht. „Sie können ja nichts dafür, dass Sie mich einschüchtern, Jake“, sagte sie.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete sie nachdenklich. Nach einer Weile verkreuzte er die Arme vor der Brust und meinte: „Ich schüchtere Sie also ein?“
Sie hob die Schultern. „Ja, so ist es.“
Ein Bediensteter kam mit einer silbernen Kanne in den Essraum und
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