Julia Extra Band 0258
hier nicht der unumschränkte Herrscher!“, konterte Jake. „Du kannst mich nicht per Befehl zum Altar schicken.“
„Aber ich darf dir mal den Kopf waschen, damit du vernünftigwirst.“
„Ich denke, alles ist gesagt.“
„Erst mal musst du begreifen, dass du nicht immer in der Vergangenheit leben kannst. Tatiana ist tot. Akzeptiere das und lebe!“
Susan biss sich auf die Lippe, als der Name Tatiana fiel. Jake war immer so freundlich und aufmerksam. Da hatte sie ganz vergessen, dass er noch um seine Verlobte trauerte.
Sie fühlte sich ganz elend und setzte sich deshalb auf die nächstbeste Marmorbank. Sie fröstelte. Lag das an dem kühlen steinernen Sitzplatz – oder hatte das eher etwas mit ihren Gefühlen zu tun?
„Verdammt, Dad!“, hörte sie Jake mit fester Stimme antworten. „Wie stellst du dir das vor? Wenn ich dir zuliebe heirate und Kinder bekomme, kann ich meiner Frau nur meinen Namen schenken – aber nicht meine Liebe.“
George lachte dröhnend. „Sei nicht so naiv. Die meisten Frauen würden einiges dafür tun, um den Wohlstand zu genießen, den du ihnen bieten kannst. Abgesehen davon: Wo steht denn geschrieben, dass du die Wahrheit sagen musst?“
„Ich würde nicht lügen wollen“, sagte Jake. „Bevor ich heirate, lege ich die Karten auf den Tisch.“
„Dann bist du dümmer, als ich gedacht habe.“
„Lieber bin ich ein Dummkopf als ein Lügner.“
„Damit hast du ja kein Problem“, spottete George. Dann hörte Susan ihn fragen: „Wohin gehst du?“ Als Nächstes schlug er mit der Faust auf den Tisch. Obwohl er das oft tat, zuckte Susan immer noch zusammen. „Komm zurück, Jake!“, rief er jetzt.
Keine Antwort. Offenbar hatte sein Sohn den Raum verlassen.
Susan saß mit hängenden Schultern da und starrte auf den Boden. Viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Jake, der Schwarm ihrer Kindheit, war offenbar entschlossen, mit den Erinnerungen an seine tote Verflossene alt zu werden. Was für ein tragischer Verlust – für ihn und die Frau, die ihn vielleicht glücklich gemacht hätte, wenn er es nur zuließe. Und die dann in seinen Armen aufgeblüht wäre – sinnierte sie auf der kalten Bank.
Leise Schritte näherten sich, und Jake kam über den Rasen geschlendert. Da die Bank etwas verborgen hinter blühendenSträuchern stand, hatte er sie noch nicht entdeckt. Sie allerdings konnte ihn im Mondschein klar erkennen. Seine Miene, seine ganze Haltung drückten aus, dass er aufgebracht war und wieder zur Ruhe kommen wollte.
Er fuhr sich mit beiden Händen durch das dunkle Haar, und Susan spürte instinktiv das Verlangen, ihn tröstend in die Arme zu nehmen. Sein Bild verschwamm vor ihren Augen. Ihr Mitleid war so stark, dass ihr sogar Tränen in die Augen traten.
Wie wäre es wohl, ihn zu heiraten, seine Kinder zu bekommen und dabei zu wissen, dass man nicht geliebt wurde? O nein, schalt sie sich. Über so etwas durfte sie nicht einmal nachdenken!
Sie beobachtete, wie er die Hände in die Hosentaschen schob und in Richtung Meer blickte. Er drehte ihr jetzt den Rücken zu, und sie bewunderte wieder einmal seine breiten Schultern und seine schmalen Hüften. Sein weißes Polohemd schimmerte im fahlen Licht. Sein Anblick weckte erotische Gefühle bei ihr, und sie verkreuzte fröstelnd die Arme vor der Brust.
Jake hatte etwas Beeindruckendes – im Mondlicht ebenso wie im Sonnenschein. Sicher, er war selbstbewusst und attraktiv. Aber zum ersten Mal spürte sie auch, dass er einsam war. So heiter er sich stets gab, in Wirklichkeit war er jemand, der innerlich zerrissen war.
Wie wäre es wohl, seine Frau zu werden? Bist du verrückt!, schalt sie sich. Du kannst doch nicht jemanden heiraten, der dich nicht liebt! Oder? Immerhin war er schließlich nicht irgendjemand …
Jake starrte in die Ferne. Im Grunde wusste er, dass sein Vater Recht hatte. Schließlich hatte er sich oft genug selbst gesagt, dass er nicht lebte, sondern nur existierte. Dabei hatte er doch immer eine Familie gründen und Kinder haben wollen – mit Tatiana. Aber die war seit zwölf Jahren tot. Wenn er so weitermachte, würde er noch als Junggeselle ins Grab steigen.
War schon alles verloren? Sein Vater hatte Recht. Eine Ehefrau zu finden war kein Problem. Jede Woche flatterten ihm zahlreiche Briefe ins Haus von Frauen, die sich ihm anboten. Aber das war nicht sein Stil.
Wo liegt die Lösung?, fragte er sich. Finde ich eine Frau, die mich wegen meines Geldes heiratet – und die ich trotzdem nicht
Weitere Kostenlose Bücher