Julia Extra Band 0258
Jammer überkam sie. So ging das nicht. Sosehr sie ihn auch liebte, wenn sie sich auf diese Geschichte einließ, war das wie ein Betrug. Deshalb schüttelte sie bedauernd den Kopf. „Ich nehme doch keinen Heiratsantrag an, den mir ein Mann nur deshalb macht, weil sein Vater das wollte!“
„Ja, es sieht tatsächlich so aus, als ob die ganze Sache nur eine Idee meines Vaters wäre. Aber so ist es nicht. Ich war zu blind, die Dinge zu sehen. Aber er hat mir zum Glück die Augen geöffnet.“
Jake umfasste ihre Hände. Plötzlich fiel ihr das Denken unsagbar schwer. Gleichzeitig wurde sie traurig. Hätte sie nur dieses Streitgespräch zwischen Jake und seinem Vater nicht mitgehört. Dann wäre jetzt manches anders.
Sie schluckte. „Ihr Vater ist hier nicht der Einzige, den ich gern mal schütteln würde.“
Jake sah sie nachdenklich an, räusperte sich und meintedann: „Das heißt wohl Nein?“
Sie seufzte und flüchtete in ihr Zimmer.
„Susan, warte mal …“
„Nein!“ Sie drehte sich noch einmal um und stieß mit dem Finger gegen seine Brust. „Bringen Sie mich bloß nicht dazu, Ihnen etwas anzutun!“
Dann schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu. Es sah für Jake so aus, als ob ihr auf einmal Tränen in den Augen standen.
Jake hatte seinen Gleichmut nur vorgetäuscht. In Wirklichkeit ging es ihm ziemlich nahe, dass sie ihm einen Korb gab. „Das ist doch dumm von dir“, sagte er sich. „Vergiss es einfach.“
Langsam ging er in sein Zimmer und setzte sich zum Nachdenken aufs Bett.
Susan O’Connor war eine attraktive Geschäftspartnerin, mehr nicht. Na ja, eine ungewöhnlich kämpferische war sie schon.
Tatianas Bild stand auf seinem Nachttisch, und er schaute es betrübt an. Er hatte sie einst in Paris kennen gelernt, und sie war ein süßer blonder Engel gewesen – mit dem Auftreten einer Prinzessin. Das hatte wohl daran gelegen, dass sie außer französischen auch adlige russische Vorfahren gehabt hatte. Vom ersten Moment an hatte er sie irrsinnig geliebt.
Sachte strich er über ihr Porträt, dann stützte er die Hände hinter sich auf dem Bett auf und betrachtete ihr Gesicht. „Was wäre aus dir geworden, wenn ich an deiner Stelle …“ Es war immer noch schmerzlich für ihn, an sie zu denken. „Vielleicht wärst du klüger gewesen als ich und längst verheiratet?“ Er legte sich hin und starrte müde an die Decke. „Ich habe mich heute wie ein Idiot benommen. Das hättest du sehen müssen!“
Er schloss die Augen, aber das war auch keine so gute Idee. Denn jetzt sah er es wieder deutlich vor sich, wie Susan ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte.
Spöttisch meinte er: „Herzlichen Glückwunsch. Das hast du ja prima hingekriegt, Jake Merit.“ Genervt fuhr er sich durch die Haare und versuchte sich einzureden, dass ihm das im Grunde sowie völlig egal war.
Am nächsten Morgen ging Susan mit einem Buch in den Garten. Und obwohl sie sich bemüht hatte, ein möglichst ruhiges Plätzchen zu finden, kam Jake kurz darauf an ihr vorbeigejoggt. Er trug nur eine schwarze Turnhose und schwarzeLaufschuhe.
Sein nackter Oberkörper glänzte im Sonnenlicht, und sie sah, wie sich seine Brust wölbte, als er tief ein- und ausatmete.
„Hallo“, sagte er und beugte sich vor, wobei er die Hände auf die Hüften stützte.
Zitternd legte sie das Buch zur Seite. Seine Nähe überwältigte sie jedes Mal.
„Was ist das, ein Liebesroman?“, wollte er wissen und zwinkerte ihr zu. „Ich hätte gedacht, dass Sie sich eher für die Lebensgeschichte von Attila, dem Hunnenkönig, interessieren.“
„Die kenne ich ja schon“, versuchte sie zu scherzen. „Aber die ist nicht brutal genug.“
„Haben Sie schon gefrühstückt?“ Er lächelte verschmitzt.
„Oh. Ich war nicht besonders hungrig“, erklärte sie. In Wahrheit hatte sie ihm aus dem Weg gehen wollen. Im Nachhinein war es ihr nämlich peinlich, dass sie ihm gestern eine rüde Abfuhr erteilt hatte. Sie hätte das auch höflich sagen können. Schließlich ging es um eine wichtige Angelegenheit für ihn.
Es war auch dumm gewesen, auf das Frühstück zu verzichten. Früher oder später wäre sie Jake ja sowieso beim Essen begegnet.
„Ich habe auch noch nicht gefrühstückt“, gestand er und sah ihr tief in die Augen. „Sind Sie denn jetzt hungrig?“
Sie hob die Schultern. „Weiß nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.“
„Soll ich Ihnen etwas hierher bringen lassen?“
Ihr schlechtes Gewissen meldete sich wieder.
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