JULIA EXTRA BAND 0261
Übelkeit dank des Tees nachgelassen. Tina ging unter die Dusche und zog sich an. Als das Frühstück kam, setzte sie sich hin und aß alles auf. Anschließend räumte sie auf und sah wieder zur Uhr.
Es war noch früh, aber besser, sie beschäftigte sich in der Boutique, als hier im Hotel Däumchen zu drehen.
Tina nahm ihren Laptop, hängte sich die Handtasche über die Schulter und ging zu ihrem Wagen.
Double Bay lag nur wenige Kilometer entfernt. Sie parkte auf der Rückseite des Gebäudes, aktivierte die Alarmanlage und machte sich auf den Weg zum Geschäft.
Die Boutique mit ihrem eleganten Verkaufsraum war Tinas ganzer Stolz. Großzügige Umkleidekabinen und ein kleines Zimmer, das als Lager und Büro diente, gehörten dazu.
Gerade heute Morgen brauchte sie eine vertraute Umgebung. Um über Nic Leandros’ Vorschlag nachzudenken. Sie weigerte sich schlichtweg, sein Angebot als Heiratsantrag zu bezeichnen!
Nie hatte sie an eigene Kinder gedacht, eine Heirat nicht in Betracht gezogen. Schon deshalb bewegte sie sich ausschließlich in einem kleinen Kreis ausgesuchter Freundinnen und Freunde. Vasili hatte sie oft damit geneckt, dass sie ihn, während er sie vor männlicher Nachstellung bewahrte, vor weiblichen Glücksrittern schützte. Eine zufriedenstellende Beziehung für beide Seiten.
Bis zu jener folgenschweren Nacht, als aus einem harmlosen Kuss mehr geworden war.
Trotz allem wollte sie das Kind. Es war ein unerwartetes Geschenk, eine lebendige Erinnerung an einen fröhlichen, liebevollen jungen Mann.
Und dennoch – besaß sie das Recht, es ausschließlich für sich zu behalten? Wäre Vasili noch am Leben, hätten sie es gemeinsam großgezogen, und das Baby hätte den Namen Leandros getragen.
Warum also weigerte sie sich vehement, Nic Leandros’ Angebot anzunehmen?
Weil sie Vasilis Halbbruder schwer einschätzen konnte. Er war älter, unnachgiebig … gefährlich.
Andererseits musste sie zugeben, dass ein solches Arrangement Vorteile hätte. Das Kind würde einen Vater bekommen,einen rechtmäßigen Anspruch auf sein Erbe, Großeltern … eine Familie. Eine Umgebung, in der es geborgen und umsorgt aufwachsen könnte.
Das satte Brummen des Staubsaugers begleitete ihre Überlegungen, während sie ihn über den Teppich und die Marmorfliesen führte. Anschließend wischte sie mit einem Staubtuch die Regale ab und putzte die Spiegel.
Endlich trat sie zurück, um ihr Werk zu begutachten. Der Salon bot die zurückhaltende Eleganz eines gehobenen Modegeschäfts, genau richtig für die verwöhnten, weltgewandten Bewohnerinnen von Double Bay, die hier ihren exklusiven Geschmack mit Designerware aus aller Welt befriedigen konnten.
Tina besaß ein natürliches Gespür für stilvolle Kleidung. Schon als kleines Mädchen hatte sie sich stundenlang damit beschäftigen können, ihre Barbiepuppen an- und auszuziehen, Outfits immer wieder neu zu kombinieren. In ihren Teenagerjahren half sie ihrer Mutter in deren Boutique und bewies, dass sie einen Blick für Mode, Accessoires und die richtige Zusammenstellung einzelner Bekleidungsstücke hatte.
Die Berufswahl fiel ihr nicht schwer. Sie lernte den Einzelhandel im Bekleidungsgewerbe von der Pike auf. Zuerst bei ihrer Mutter, dann drei Jahre lang in einem großen Modehaus in Sydney, ehe sie nach Double Bay zurückkehrte, um das Geschäft mit ihrer Mutter gemeinsam zu führen.
Vor fünf Jahren begegnete Claire ihrer zweiten großen Liebe, heiratete Felipe und zog mit ihm nach Noosa. Tina übernahm die Boutique.
Die Kundinnen der feinen Geschäfte in Double Bay verbrachten ihren Vormittag stets nach demselben Muster. Gegen halb zehn traf man sich zum Kaffee, um dann gegen halb elf in die Boutiquen auszuschwärmen. Es folgte ein ausgedehntes Mittagessen in einem der angesagten Restaurants, man verabschiedete sich mit Küsschen links, Küsschen rechts von den Freundinnen und kehrte, beladen mit Tüten und Päckchen, nach Hause zurück, wo fleißige Angestellte eines Reinigungsunternehmens inzwischen die Zimmer auf Vordermann gebracht hatten.
Lily, Tinas Assistentin, stürmte pünktlich um zehn zur Tür herein, als Tina gerade eine Stammkundin bediente, die ein komplettes Ensemble aus dem Schaufenster erwerben wollte, einschließlich der Handtasche und passender Schuhe.
Sobald die Kundin gegangen war, knallte Lily eine Zeitung auf den Glastisch.
„Hast du das hier gesehen?“, stieß sie aufgeregt hervor.
Tina warf einen Blick auf die Titelseite und hielt
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