JULIA EXTRA BAND 0261
und sah wieder zu den Kindern hinüber. Luca hatte recht gehabt, sie kamen bestens miteinander aus und hatten ihre ganz eigene Sprache gefunden …
„Gestohlene Zeit.“
Offenbar gab die Gräfin nicht so schnell auf. Nell hob eine Augenbraue. „Gestohlene Zeit?“
„Die süßeste Zeit, finden Sie nicht?“
Aus ihrem Mund klang alles so köstlich dekadent. Nell sah sie über ihre Sonnenbrille hinweg an. „Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, was Sie damit meinen.“
„Sagen Sie nicht, Sie sind in Gedanken nicht ganz weit fort gewesen.“
„Nun, ich …“ Lucas Schlafzimmer kam ihr in den Sinn.
„Ich kenne Sie kaum, und doch fühle ich instinktiv, dass Sie sich entspannen und mehr für sich selbst tun sollten.“ Die contessa lächelte ihr vertrauensselig zu. „Ich hoffe, Sie nehmen mir nicht übel, dass ich so offen spreche.“
„Nein, natürlich nicht.“
„Gut. Ich bin froh, dass Sie mir zustimmen.“ Die ältere Dame setzte sich in ihrem Liegestuhl auf. „Ich möchte Sie zum Abendessen heute bei mir einladen, mit Molly natürlich und Marianna.“
Und Luca wiedersehen? „Nein, ich meine, es tut mir leid, aber das wird nicht möglich sein, contessa.“
Nell erkannte die eiserne Entschlossenheit des Sohnes in den blauen Augen der Mutter. „Ich habe vor dem Meeting noch viel zu tun. Es wurde zwar verschoben, aber …“
„Aber? Sie haben sich doch sicher für heute vorbereitet?“
„Ja, das stimmt.“
„Also? Wie Sie sehen, ist Molly hier sehr glücklich.“ Die Gräfin wies zu den Kindern hinüber, die lachend schaukelten. „Sie kann hierbleiben, während Sie sich im Hotel fürs Dinner umziehen.“ Die Zuversicht der alten Dame schwand, als sich Nell erhob.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich muss ablehnen“, sagte sie fest. Wie konnte sie unter demselben Dach verweilen wie Luca und so tun, als sei nichts zwischen ihnen geschehen? „Ich hole Molly …“
„Aber warum wollen Sie jetzt schon zurück? Sie könnte hier übernachten.“
„Ich will Ihnen keine Umstände machen.“
„Umstände? Aber Unsinn!“, rief die contessa. „Nichts geht mir über das Glück meiner Enkelkinder. Sie würden einer alten Frau einen großen Gefallen tun. Bitte. Und Sie müssen zum Dinner kommen, damit Sie ihr Gute Nacht sagen können.“
„Nun …“
„Es wäre so schön … für mich und für Molly.“
Schachmatt, dachte Nell erschöpft. „Ich fragte Molly, ob sie damit einverstanden wäre.“
„Natürlich.“ Ein schwaches Lächeln umspielte die Lippen der contessa, als Nell zu ihrer Tochter lief.
Doch als Nell im Hotel eintraf, hatte sie ihre Meinung wieder geändert. Molly würde im Palazzo gut versorgt sein. Und da sie sowieso über Nacht dortblieb, war es nicht nötig, dass sie, Nell, noch einmal dorthin zurückkehrte.
„Aber das Wassertaxi ist schon auf dem Weg, um Sie abzuholen“, wandte Lucas Mutter ein, als Nell telefonisch absagen wollte. „Luca ist gerade aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen. Ich reiche Sie weiter.“
„Nein, das ist nicht nötig …“
„Nell? Kommst du nicht? Mutter erwartet dich.“
„Ich bin sicher, sie wird Verständnis haben.“
„Aber es ist Mutters sechzigster Geburtstag.“ Weil seine Mutter bei dieser Erklärung im Hintergrund schimpfte, hielt er den Hörer einen Moment bedeckt. „Du willst ihr doch nicht den Tag verderben?“
„Deine Mutter hat mit keinem Wort erwähnt, dass das Essen einen besonderen Anlass hat.“
„Natürlich nicht.“
Stimmt. Sicher wollte sie nicht, dass Nell sich verpflichtet fühlte, ihr ein Geschenk mitzubringen. „Aber deine Mutter kennt mich doch kaum. So wichtig kann meine Anwesenheit nicht für sie sein.“
„Du hast großen Eindruck auf sie gemacht …“
„Ach, wirklich?“, fragte sie ironisch.
„Und es ist ihr Geburtstag. Ich möchte, dass der Tag genauso ist, wie sie ihn sich wünscht.“
„Du bist wirklich skrupellos.“
Luca schwieg. Er machte sich über Skrupel keine Gedanken. Von Bedeutung war nur, dass er Nell traf, und nicht nur für Sex. Seit dem Karneval sah er eine Frau in ihr, eine als Mensch begehrenswerte Frau, eine Frau, mit der er gerne zusammen war und deren Lächeln er nie wieder vergessen würde. Sie war so lustig, wenn sie entspannt war. Nur wegen Nell war er jetzt schon wieder aufgeregt. Mit ihr zu schlafen, war unsagbar gut gewesen, aber er wollte nur mit ihr zusammen sein.
„Darf ich Mutter sagen, dass sie mit dir rechnen kann?“
Nell knirschte mit den
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