JULIA EXTRA BAND 0262
Schloss der von Wiesthuns sah aus, als wäre es einem Märchen entsprungen: Türmchen, schmale hohe Fenster und eine bezaubernde Außenanlage. Der Sommer am Wolfgangsee war einzigartig. Auf dem spiegelglatten Wasser fuhren kleine Boote hin und her, Kinder schwammen und spielten am Ufer, aber trotzdem konnte Gabriella dieser Idylle wenig abgewinnen.
Ihre einzige Freude waren Constanzas Kinder, die ihr mittlerweile richtig ans Herz gewachsen waren. Und die Kinder erwiderten ihre Zuneigung und wichen ihr nicht mehr von der Seite.
Das Schloss hatte einen Privatstrand. Gabriella lag auf einer gepolsterten Sonnenliege und sah Anita und Ricky dabei zu, wie sie im Wasser planschten. Ein Kindermädchen stand ganz in der Nähe und passte auf, während Constanza ihren großen Sonnenhut ins Gesicht gezogen hatte und döste.
„Was für ein herrliches Wetter. Ich bin so froh, dass es sich gehalten hat. Toll, dass du zu Besuch gekommen bist, Gabriella. Ich frage mich, ob Ricardo auch noch hierherkommen wird.“
„Das bezweifle ich“, erwiderte Gabriella trocken. „Er ist viel zu beschäftigt.“
„Glaubst du?“ Constanza schob ihren Hut hoch und sah ihre Schwägerin prüfend an. Unwillkürlich fragte sie sich, was Gabriella wohl so beschäftigen mochte. Denn dass sie nicht glücklich war, war nicht zu übersehen.
Vom ersten Moment an, als sie Gabriella kurz vor der Hochzeit gesehen hatte, hatte Constanza gehofft, sie würde Ricardo um den Finger wickeln. Dann würde er endlich von dieser schrecklichen Ambrosia loskommen, die Constanza aus tiefstem Herzen verabscheute. Es geschah Ambrosia recht, dass sie von einer reizenden Frau ausgestochen wurde, die vierzehn Jahre jünger war als sie. Diesen gehässigen Gedanken konnte Constanza sich nicht verkneifen. Und Gabriella war nicht nur jünger und schöner, sondern auch wesentlich intelligenter.
„Du verbringst nicht viel Zeit mit Ricardo“, bemerkte Constanza beiläufig und nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche.
„Er hat viel zu tun.“
„Ich will mich ja nicht einmischen, und bitte weise mich sofort zurecht, wenn ich dir zu nahe trete! Aber mir kommt es so vor, als würde es zwischen dir und Ricardo nicht besonders gut laufen. Und was noch wichtiger ist“, fügte sie einfühlsam hinzu, „du kannst mit niemandem darüber reden. Ich versichere dir, alles, was du sagst, bleibt unter uns. Obwohl ich seine Schwester bin.“
Gabriella zuckte zusammen und richtete sich auf. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Ich weiß eigentlich nicht so genau. Ich …“ Zu ihrem Entsetzen brach sie in Tränen aus.
Sofort war Constanza an ihrer Seite und ergriff ihre Hände. „Oh, du Ärmste! Was hat er dir angetan, dieses Monster? Ich verspreche dir, er wird es bereuen. Du verdienst es nicht, unglücklich zu sein.“
„Es ist nicht seine Schuld“, murmelte sie unglücklich. „Wir haben nur geheiratet, weil mein Vater auf seinem Sterbebett darauf bestanden hat. Es gab keinen anderen Ausweg. Wenn Ricardo mich nicht geheiratet hätte, wäre mein Erbe für mich verloren gewesen. Er hat sich vermutlich nur wie ein Gentleman verhalten. Ich hasse es, aber die Wahrheit ist: Er hat nur seine Pflicht getan. Und jetzt kommt wohl die Zeit, wo er sich sein altes Leben zurückwünscht.“
„Das kann ich nicht glauben“, stieß Constanza hervor. „Es ist nicht zu übersehen, wie viel du ihm bedeutest, Gabriella. Allein wie er dich ansieht.“
„Meinst du?“ Mit Tränen in den Augen sah sie ihre Schwägerin an. Schluchzend suchte sie nach einem Taschentuch. „Es gab einen kurzen Moment, als ich glaubte, dass vielleicht … Aber dann …“ Sie brach ab und dachte an den fatalen Tag auf der Jacht.
„Was war dann?“, hakte Constanza vorsichtig nach.
„Dann ist Ambrosia aufgetaucht mit einer Horde von anstrengenden Freunden, und es war einfach grauenhaft. Eigentlich wollten wir den Tag allein verbringen, aber er zog es vor, sie dabeizuhaben. Offenbar stehen sie sich noch immer sehr nahe. Das war nicht zu übersehen.“ Sie ballte die Hände zu Fäusten.
„Und? Damit wirst du ihn doch wohl nicht durchkommen lassen?“
„Wie meinst du das?“
„Wie ich das meine? Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Sie lachte zuversichtlich. „Wenn er dieser Kreatur tatsächlich neue Hoffnungen machen sollte, wirst du ihm zeigen, dass auch noch andere Männer hinter dir her sind.“
„Ein netter Einfall, aber das stimmt leider nicht. Selbst wenn es so wäre, würde ich sie niemals ermutigen.
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