JULIA EXTRA BAND 0262
seine Arbeitskleidung gegen ein paar saubere Sachen zu tauschen. „Vielleicht hast du ja auch Lust zu duschen. Es gibt ein separates Badezimmer.“ Er betrachtete ihre kleine Reisetasche und lächelte. „Leider kann ich dir nichts zum Anziehen anbieten, außer einen Bademantel oder eines meiner Hemden.“
„Ich nehme mit dem Bademantel vorlieb“, erwiderte Erin gepresst. Damit würde sie allerdings noch warten. Sie hatte nicht vor, sich jetzt auszuziehen.
Langsam ging Erin ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht. Eigentlich war sie zum Abendessen bei Candia und ihrem Mann in Potts Point eingeladen gewesen und hatte sich entsprechend angezogen. Doch jetzt, in Lukes Apartment, fühlte Erin sich in ihren feinen Kleidern völlig fehl am Platz.
Sie betrachtete ihre Halskette mit den Zuchtperlen und ihre Ohrringe – Kugeln aus feinem Golddraht, der ebenfalls kleine Perlen einfasste. Obwohl Erin ihren Schmuck liebte, fand sie auch das im Moment zu übertrieben und nahm ihn ab.
Dann schlüpfte sie aus ihren Prada-Pumps und ging durch das Wohnzimmer in die Küche, um Kaffee zu machen.
„Hm, das riecht köstlich“, sagte Luke, als er wenig später frisch geduscht in die Küche kam. Er trug jetzt saubere Jeans und ein weißes T-Shirt, das seine athletische Gestalt betonte. „Schön, dass du dich hier wohlfühlst.“
Er betrachtete sie angelegentlich. „Du hast deine Ohrringe abgenommen, stimmt’s?“
„Ja, und?“
„Schade, ich mochte sie.“
Erin errötete. Um ihre Verlegenheit zu verbergen, wandte sie sich schnell wieder der Kaffeemaschine zu. „Möchtest du eine Tasse?“
„Nein, ich trinke lieber ein Bier.“ Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche heraus. Dann zeigte er in Richtung Wohnzimmer. „Mach es dir gemütlich. Das Essen kommt in einer Viertelstunde.“
Die Sofas waren sehr bequem. Vorsichtig kuschelte Erin sich in eines und zog die Beine an. Sie gab sich Mühe, entspannt zu wirken.
„Nun sei doch nicht so verkrampft.“
Offensichtlich konnte sie Luke nichts vormachen. Sie lächelte verlegen. „Du musst zugeben, es ist ein bisschen komisch, nach einer so langen Zeit wieder zusammen zu sein.“
„Ja.“ Er trank einen Schluck Bier und sah zu Boden.
Nachdenklich betrachtete Erin ihre Hände im Schoß. Die Fingernägel waren perfekt gefeilt und sehr gepflegt. Unwillkürlich musste Erin an die rauen, abgearbeiteten Hände der Frauen aus dem Busch denken – Hände, die geschickt einen Jeep über ein trockenes Flussbett steuerten, die Brot backten, Kälber zur Welt brachten und ihren Männern beim Bau von Pferchen halfen.
„Jetzt haben wir ja die Gelegenheit, uns zu unterhalten“, brach Lukes Stimme in ihre Gedanken ein.
Sie griff nach ihrer Tasse und trank einen Schluck Kaffee. „Erzähl doch mal, wie ist es denn bisher zwischen Joey und dir gelaufen?“
„Ach, eigentlich ganz gut. Er ist ein toller kleiner Junge. Um ehrlich zu sein, ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so gut verstehen würden.“
„Ich habe dir doch schon in Sydney gesagt, dass du sein Held bist.“
„Ja, stimmt.“ Er lächelte ihr verlegen zu und kratzte sich am Kopf. „Ich verstehe nur nicht, wie das passiert ist. Schließlich war ich ja gar nicht da. Woher sollte er etwas von mir wissen?“
„Ein abwesender Vater hinterlässt nun einmal eine große Lücke im Leben eines kleinen Jungen. Und die füllt er, so gut er kann.“
Besorgt sah Luke sie an.
Erin sammelte sich. Immer wenn sie an die beiden dachte, fühlte sie sich schuldig, weil sie Vater und Sohn voneinander getrennt hatte. Aber schließlich war Luke ja auch die ganze Zeit über stur geblieben. Er hatte nicht einmal versucht, Joey zu sehen.
Vielleicht war nun der richtige Zeitpunkt gekommen, um Luke die Gründe für ihren Entschluss mitzuteilen. Irgendwann musste er ohnehin erfahren, warum sie Joey nach Australien gebracht hatte.
„Es war wichtig, dass Joey dich kennenlernt, Luke. Er stand auf der Kippe.“
„Auf was für einer Kippe?“
„Zur Katastrophe.“
7. KAPITEL
„Du machst wohl Witze“, rief Luke aus. „Wie kann ein so netter kleiner Junge wie Joey am Rand eines Abgrunds stehen?“
Erin funkelte ihn an. „Wieso glaubst du, dass ich mich plötzlich bei dir gemeldet habe?“
„Ich … ich … keine Ahnung. Ich dachte, du hast vielleicht gemerkt, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, meinen Sohn kennenzulernen.“
Mit diesem Satz gab er ihr die Gelegenheit, nachzufragen, warum er sich die ganze Zeit
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