JULIA EXTRA BAND 0263
Problem erwähnt. Also musst du natürlich über London nach Rom fliegen, damit Signor di Bartoli dich nicht von einem Flug abholt, der vom falschen Kontinent kommt.“
„Ich kann das nicht durchziehen, Mom. Francesco wird doch bestimmt etwas merken?“
„Und ob du es durchziehen kannst. Du musst. Er wird keinen Verdacht schöpfen. Er weiß gar nicht, dass du existierst, und er kennt Rowena noch nicht besonders lange. Sie sitzt gerade an ihrem Laptop, ordnet ihre Notizen und druckt alle Informationen aus, die du brauchst – neben den Büchern und Aufzeichnungen, die schon in Italien sind. Außerdem könnt ihr miteinander telefonieren. Du hast immer erst in der letzten Minute angefangen, für eine Prüfung zu lernen. Das hier ist nichts anderes.“
Mom hatte vermutlich recht.
Harlan hatte das auch erwähnt. Grund Nummer zwölf. „Du wartest mit allem immer bis zur letzten Minute.“
„Okay“, antwortete sie. „Aber nur, weil sie versprochen hat, sich behandeln zu lassen. Ich rufe die Fluggesellschaften an und nehme den ersten Flug, den ich kriegen kann.“
„Heute Abend?“, fragte ihre Mutter hoffnungsvoll. Es war im Moment Montagmorgen in New Jersey, Montagnachmittag in Europa.
„Ich versuche es.“
„Ruf mich zurück, wenn du Bescheid weißt. Dann kann ich für Rowie und mich planen. Wir müssen uns auf jeden Fall inLondon kurz treffen, damit sie dir alle Informationen zu dem Gartenprojekt geben kann.“
Zwei Tage später landete Roxanna in Rom. Sie trug die ordentlichen, professionellen Kleider ihrer Schwester, aber innerlich empfand sie das genaue Gegenteil und fühlte sich entsprechend. Verrückt (Grund Nummer fünf), wenig elegant (Grund Nummer vierzehn) und, wie kurz zuvor in Grund zwölf angesprochen, schlecht vorbereitet.
„Pia, bleib nah bei mir“, sagte Gino auf Italienisch zu seiner vierjährigen Tochter.
Sie zappelte an seiner Hand, begierig, den großen Flughafen zu erkunden. Er hielt sie fester und wusste nur zu gut, was als Nächstes kommen würde. Allerdings hatte er keine Ahnung, was er dagegen tun sollte.
Er konnte jetzt wirklich keinen ihrer Wutanfälle gebrauchen.
Pia wehrte sich stärker gegen seinen Griff. Ihr kleines Gesicht nahm diesen trotzigen Ausdruck an, den er mittlerweile nur allzu gut kannte. Sie holte tief Luft, und jeden Moment würde sie anfangen zu schreien, zu treten und um sich zu schlagen. Miss Cassidy, Pias englische Nanny, brachte Stunden damit zu, ihren Wutanfällen standzuhalten. Sie weigerte sich strikt, dem Kind nachzugeben, und wurde nur umso strenger, je mehr die Kleine schrie, bis Pia sich schließlich derart erschöpfte, dass sie einschlief.
Doch dafür hatte Gino weder die Zeit noch die Geduld. Gott hilf mir, was ist nur los mit meinem Kind?
Wie konnte eine so perfekte Frau wie Angele – ruhig, kühl, kompetent in allem, was sie tat – nur ein derart schwieriges kleines Mädchen zur Welt bringen, fragte sich Gino.
Intuitiv kam er zu einer Entscheidung und ließ Pias Hand los, ehe er es sich anders überlegen konnte. Er sah zu, wie sie zwischen den Trenchcoats und Anzügen derjenigen hindurchsprang, die auf den Flug aus London warteten. Die ersten Passagiere tauchten auf. Wenn Rowena Madison nicht gerade als Letzte herauskam, müsste er in der Lage sein, so lange ein Auge auf Pia zu haben und sie nicht zu verlieren.
Er hatte Rowena nur ein paar Mal getroffen, aber er war sich sicher, dass er sie gleich erkennen würde. Als Geschäftsführerder familieneigenen Di-Bartoli-Kosmetikfirma hatte er das erste Gespräch bezüglich der Gartenrestaurierung mit ihr geführt. Danach gab es noch ein paar weitere Treffen. Den täglichen Kontakt und die Überwachung der Arbeiten vor Ort hatte er an seinen jüngeren Bruder Francesco delegiert.
Und der hatte seine Aufgabe offensichtlich ein wenig zu ernst genommen. Francesco besaß eine absolut charmante und außergewöhnlich standesgemäße Verlobte in Rom, doch das konnte ihn nicht davon abhalten, mit Rowena in der Toskana eine Affäre beginnen zu wollen. Laut Francesco hatte Rowenas bebendes Zögern sein Verlangen noch verstärkt.
Ja, das hat es mit Sicherheit, dachte Gino zynisch. Francesco hatte schon immer etwas umso stärker begehrt, je schwerer er es bekommen konnte. Er verschwendete einen Großteil seines Lebens auf diese Art und Weise.
Doch Gino würde es nicht zulassen, dass er eine gute Ehe aufs Spiel setzte für eine Affäre mit einer amerikanischen Gartenexpertin, die scheinbar nicht mal
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