JULIA EXTRA BAND 0263
niemand mehr sehen. Die ganzen Leute. Warum lassen wir es nicht einfach hier, damit es den Flughafen hübscher macht?“
Sie schaute über Pias dunklen Lockenkopf hinweg zu Gino und suchte nach Zustimmung. Er wirkte überrascht. Seine sinnlichen Lippen waren fest zusammengepresst, sodass sie für einen Moment befürchtete, er wäre derjenige, der jetzteinen Wutanfall bekommen würde. Doch schließlich nickte er kurz.
„Das ist doch eine sehr gute Idee, Pia, oder?“, meinte er.
Das kleine Mädchen nickte, lächelte und nahm die Hand, die er ihr entgegenstreckte. Er sah erleichtert aus und schien ganz offensichtlich schnell den Flughafen verlassen zu wollen, ehe etwas Schlimmeres passierte.
Wow!
Das Glück ist mir heute wirklich hold, dachte Rox. Rowie würde sich mit mir freuen, aber diese Glückssträhne kann nicht ewig andauern.
Tat sie auch nicht.
Während sie auf den Ausgang zusteuerten, bemerkte Gino: „Sie haben Pia ihren Willen gelassen und nachgegeben.“ Es war ein Vorwurf, kein Kompliment.
„Ihr nachgegeben?“
„Zumindest haben wir den Wutanfall vermieden.“
Okay, vielleicht war das ein Kompliment, aber sie konnte den Sie-haben-Pia-nachgegeben-Teil nicht übergehen.
Übrigens Harlans Grund Nummer neun: „Du beißt dich an jeder Kleinigkeit fest.“
„Ich habe ihr nicht nachgegeben!“, protestierte sie. „Ich habe einen positiven Vorschlag gemacht, der ihr gefallen und ihre Frustration gemildert hat.“
„Wir haben schon seit Längerem ernste Probleme mit Pias Wutanfällen“, sagte Gino in einem Tonfall, der einen Ozean hätte gefrieren lassen können. „In dieser Hinsicht verfolgen wir eine ganz strikte Methode, und die beinhaltet, dass wir Pia nie nachgeben. Dieses eine Mal, an diesem äußerst öffentlichen Ort, schätze ich die Tatsache, dass wir eine Eskalation vermieden haben, aber in Zukunft und vor allem auf dem Familiensitz würde ich Sie bitten, sich nur zu Ihrem Fachgebiet zu äußern.“
Mein Fachgebiet … Hätten Sie gerne Spiegel- oder Rührei zum Frühstück? Und als Beilage Oper oder Cabaret?
„Sicher“, entgegnete Roxanna und widerstand dem Impuls, innerlich alle antiken Rosensorten durchzugehen, die sie versucht hatte, im Flugzeug auswendig zu lernen.
Ihr fiel auf, dass Gino nicht genauer erklärt hatte, wen er mit „wir“ meinte. Sich selbst und Mrs. Gino di Bartoli wahrscheinlich.Allerdings musste sie keine großen Vermutungen anstellen, wer der Hauptdrahtzieher dieser Erziehungsmethode war – jemand, der offensichtlich keine Ahnung von aufgeweckten, kreativen Kindern hatte.
Jemand, der einen Ferrari fuhr, wie sie kurz darauf feststellte.
Einen roten Ferrari.
Und ihn schnell fuhr.
Oh, es war wundervoll! Rox fürchtete sich nicht eine Sekunde. Gino passte sich den Gegebenheiten an, und sie hatte gesehen, wie er Pia in einem Kindersitz fest angeschnallt hatte. Sobald sie auf der Autobahn waren, trat er aber ordentlich aufs Gas.
Sie warf ihm einen Blick von der Seite zu und sah, dass er immer noch verbissen aussah.
„Das mit den Wutanfällen gibt sich bei Kindern mit der Zeit“, platzte sie plötzlich heraus, denn sie fühlte sich dummerweise für diesen verkniffenen Gesichtsausdruck verantwortlich und wollte, dass er verschwand.
Oh Gott! Grund Nummer acht. „Du denkst nie nach, bevor du redest.“
Gino öffnete die Lippen gerade weit genug, um sprechen zu können. „Es gibt sich nicht, wenn Kinder gelernt haben, dass sie mit Wutanfällen ihr Ziel erreichen.“
„Erreicht sie denn jemals ihr Ziel?“
„Nein. Wie ich bereits erwähnte, sind wir in diesem Punkt sehr streng. Obwohl ich sagen sollte, dass vor allem Miss Cassidy sehr strikt ist, da sie die meiste Zeit mit Pia verbringt.“
Miss Cassidy.
Musste die Nanny sein.
Es erklärte auch Pias perfektes Englisch mit dem gelegentlichen Klang nach steifer britischer Aristokratie.
Wieder einmal antwortete Rox, ohne vorher nachzudenken: „Ich finde, dass sich ein Kind manchmal auch durchsetzen können muss. Pia muss die Sicherheit haben, dass man versteht, was ihr wichtig ist. Und sie muss lernen … ähm … zu unterscheiden, was sie wirklich will und haben sollte und was nur eine vorübergehende Laune ist oder gar den Bedürfnissen von anderen entgegensteht. Hört ihr überhaupt jemand jemals wirklich zu?“
Gino spürte, wie er sich noch mehr verkrampfte.
Hatte sie entschieden, mit Francesco zu schlafen? Glaubte sie etwa, sein Bruder würde sie heiraten? Hielt sie es deshalb für ihr
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