JULIA EXTRA BAND 0263
entgegnete Roxannas Mutter am Telefon. Sie rief von einem Londoner Hotel nahe dem Flughafen Heathrow an, aber sie klang so deutlich, als befinde sie sich im Nachbarhaus – und ihre Sorge war nicht zu überhören.
„Mom, das ruiniert ihr Leben ! Sie braucht unbedingt eine Behandlung. Sie leidet unter einer ernst zu nehmenden psychischen Störung, einer Phobie, und es wird immer schlimmer. Sie muss das endlich einsehen.“
„Du musst nach Italien fliegen und für sie bei den Di Bartolis einspringen. Das ist ein verdammt großes Projekt, das sie dringend für ihren beruflichen Werdegang braucht. Sie kann es sich nicht erlauben, dass es in einer Katastrophe endet. Sie hat bereits so viel Arbeit und Mühe investiert.“
„Oh, na klar! Ich springe für sie ein, weil ich ja so viel Ahnung von antiken Rosensorten und historischen Gärten habe. Das kann nicht dein Ernst sein!“
Roxanna verfügte über keinerlei diesbezügliches Fachwissen, wie ihrer Mutter wohl bekannt war. Sie war Sängerin … nun ja, Kellnerin mit einem Abschluss als Musiklehrerin, den sie nie genutzt hatte, aber darüber wollte sie jetzt nicht unbedingt nachdenken.
„Spring für sie ein, Rox! Ich bin doch ohnehin fast die Einzige, die euch auseinander halten kann“, argumentierte ihre Mutter.
„Ich wiege acht Pfund mehr als sie, und ich habe viel stärkere Lungen.“
„Das fällt doch keinem auf. Vor allem nicht, wenn keiner weiß, dass Rowena eine eineiige Zwillingsschwester hat.“
„Das stimmt. Sie hat niemandem der Di-Bartoli-Familie vonmeiner Existenz erzählt, oder?“
„Nein. Sie schwört Stein und Bein! Honey, Rowie hat versprochen, wenn du ihr noch dieses eine Mal aus der Patsche hilfst, dann wird sie sich behandeln lassen. Ja, selbst sie hat jetzt endlich eingesehen, dass das notwendig ist.“
Rox schloss die Augen und suchte nach innerer Erleuchtung.
Wie sollte sie diese Bitte ablehnen? Sie und Rowena waren Zwillinge und seit jeher durch ein inniges, lebenswichtiges Band miteinander verbunden, und so hatte Roxanna ihrer Schwester bereits oft zur Seite gestanden, wenn diese von ihren immer häufiger auftretenden Panikattacken befallen wurde. Der einzige Unterschied lag dieses Mal darin, dass Rowena Gott sei Dank endlich erkannt hatte, dass sie professionelle Hilfe brauchte.
Okay, es gab noch ein paar andere Unterschiede. Rox musste noch nie über den Atlantik fliegen, um in die Rolle ihrer Schwester zu schlüpfen. Und dann war ihr Terminkalender zurzeit auch ungewöhnlich … hm, leer, weshalb sie nicht mal andere Verpflichtungen vorschützen konnte.
Sie hatte letzten Freitag ihren Job verloren – den als Kellnerin –, weil ihr Gesangscasting drei Stunden länger als geplant gedauert hatte. Glücklicherweise stürzte sie das nicht in akute Geldprobleme, denn ihre Ausgaben waren im Moment sehr niedrig. Nach ihrer Scheidung Ende letzten Jahres war sie ins Haus ihrer Eltern in New Jersey eingezogen, während die beiden gerade ihren Alterssitz in Florida einrichteten.
Ach ja, Fußnote – bei dem Casting am Freitag war sie nicht genommen worden, hatte es nicht mal bis in die Finalrunde geschafft, weil der Stress der Scheidung sich immer noch auf ihre Stimme auswirkte.
Oder vielleicht war ihre Stimme auch einfach nicht gut genug.
Das war übrigens Grund Nummer siebzehn auf einer Einundzwanzig-Punkte-Liste gewesen, mit der ihr Exmann Harlan ihr die Schuld daran gegeben hatte, dass er eine Affäre begonnen und Rox verlassen hatte. „Deine Stimme ist nicht halb so gut, wie du glaubst.“
„Also bringst du Rowena zurück nach Florida und suchst dort nach einem geeigneten Therapeuten für sie?“, fragte Roxihre Mutter. Es hatte keinen Sinn, eine Behandlung für Rowie zu arrangieren, wenn es nicht die richtige war. „Du kümmerst dich um sie, bis sie Fortschritte macht? Du achtest darauf, dass sie nicht vor der Behandlung davonläuft?“
„Das scheint mir der beste Plan zu sein. Genau genommen der einzig mögliche. Es lag an ihren gemischten Gefühlen für Francesco di Bartoli – die haben diese Panikattacke hervorgerufen, nur dass es diesmal jedes Ausmaß übersteigt. Wenn sie nicht mal in der Lage ist, allein ihr Hotelzimmer zu verlassen, kann sie auch nicht nach Italien fliegen.“
„Und wie hat sie den Di Bartolis die Situation erklärt?“
„Sie hat ihnen gesagt, sie wäre in England bei der Bestellung der Rosen aufgehalten worden, käme aber in ein paar Tagen in die Toskana. Sie hat nichts von dem wirklichen
Weitere Kostenlose Bücher