JULIA EXTRA BAND 0264
am häufigsten durch ihren Kopf wirbelte, lautete: Wo ist Malik? Wo war er hingegangen â und warum? Und wann â wann â kam er zurück?
Als es dämmerte, stand Abbie kurz vor der Verzweiflung. Und als die Zeltbahnen sich endlich für Malik öffneten, konnte sie sich nicht länger zurückhalten. All die angestauten Emotionen und Sorgen sprudelten aus ihr heraus.
âAh, du hast dich also endlich entschieden, nach Hause zu kommen! Wo, zum Teufel, warst du? WeiÃt du, wie spät es ist? Ich war den ganzen Tag allein und â¦â
âAuch dir einen guten Abend!â, fuhr Malik dazwischen.
Er zog das weiÃe Tuch seiner Kopfbedeckung herunter und lieà es auf den nächsten Diwan fallen. Dann fuhr er sich mit beiden Händen durch sein schwarzes glänzendes Haar. Auch heute trug er wieder ein schlichtes weiÃes Gewand und darüber einen langen schwarzen Mantel. Beide waren zerknittert und mit Staub bedeckt. Wo auch immer er gewesen war, es war offensichtlich, dass er seinen königlichen Status verheimlicht hatte. âWas für eine BegrüÃung ist das denn?â
âDie einzige BegrüÃung, die du verdienst, nachdem du mich den ganzen Tag über allein gelassen hast! Ich wusste nicht einmal, dass du gegangen bist ⦠Und als ich aufgewacht bin â¦â
âIch habe dir eine Nachricht hinterlassenâ, erwiderte er verärgert. âDarin habe ich dir alles erklärt.â
âAlles erklärt!â Natürlich sollte sie auf den warnenden Unterton in Maliks Stimme hören, aber sie konnte es nicht. Die endlosen Stunden des Wartens hatten ihre Nerven bis zum ZerreiÃen gespannt; und jetzt brach die ganze Anspannung aus ihr heraus. âDu hast überhaupt nichts erklärt!â
Damit hob sie den zusammengeknüllten Zettel vom Boden auf, wohin sie ihn geworfen hatte, nachdem sie seine Nachricht zum hundertsten Mal gelesen hatte. Dass das zerknüllte Papier erkennen lieÃ, wie oft sie es in den Händen gehalten hatte, kümmerte sie in diesem Moment nicht. Im Gegenteil: Sie wollte, dass er sah, wie groÃe Sorgen sie sich um ihn gemacht hatte.
ââIch muss herausfinden, was in der Hauptstadt vor sich geht â¦ââ, las sie laut vor, und ihr Tonfall machte deutlich, was sie davon hielt. ââDu bist in Sicherheit, bis ich zurückkomme. Wenn du etwas brauchst, frag einfach â¦ââ
âNun, du warst in Sicherheit, oder?â
Prüfend glitt Maliks Blick durch das Zelt und über die von flackernden Ãllampen erhellten Teppiche und Matratzen.
âIch kann keine Zeichen von Vergewaltigung oder Plünderung entdecken. Und Omar hat mir gesagt, du hättest gefragt â¦â
âO ja, ich habe gefragt! Ich habe sogar viel gefragt, aber niemand wollte mir antworten. Ich habe gefragt, wo du bist, aber keiner hat es mir gesagt.â
âIch hatte darum gebeten.â
âDas hast du also deinen Dienern befohlen? WeiÃt du, wie lange ich hier â¦â
âNicht jetzt, Abbieâ, unterbrach Malik sie und hob in einer brüsken, aber überraschend defensiven Geste die flache Hand vor sein Gesicht, womit er die Kommunikation zwischen ihnen im übertragenen Sinn abschnitt. âIch möchte nicht darüber sprechen.â
âAber ich! Ich â¦â
âIch sagte, jetzt nicht, Abbie.â
Nicht die Wut in seiner Stimme brachte sie zum Schweigen, sondern der Ausdruck in seinem Gesicht. Die Erkenntnis, dass sie ihn, seit er das Zelt betreten hatte, gar nicht wirklich angesehen hatte.
Aber jetzt tat sie es. Und was sie sah, erschütterte sie bis auf den Grund ihrer Seele.
Maliks ansonsten so wunderbar bronzefarbene Haut sah fahl und so angespannt aus, dass weiÃe Flecken seine Wangen bedeckten. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten. Schatten, die nicht nur von körperlicher Müdigkeit zeugten, sondern von mentaler Erschöpfung. Und seine so lebendigen schwarzen Augen blickten jetzt trüb und lustlos.
âNicht jetzt, Abbieâ, wiederholte er noch einmal erschöpft und emotionslos. âIch möchte jetzt nicht darüber reden.â
Es war ein furchtbarer Tag gewesen, und er wollte über gar nichts sprechen. Er wollte noch nicht einmal denken. Das müsste er noch früh genug tun. Denn er müsste Abbie erklären, was die jüngsten Ereignisse für sie und ihren Bruder bedeuteten. Und er glaubte zu
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