JULIA EXTRA BAND 0264
sie eine Grenze überschritten.
âWas ist passiert?â, fragte sie zögernd, unsicher, ob auch diese Frage zu weit ging.
âWegen der Unruhen in der Stadt hat Jalil entschieden, sich für eine Weile zurückzuziehen. Dafür einen Helikopter zu benutzen, schien am einfachsten. Jalil hat darauf bestanden, selbst zu fliegen, und er ist ⦠Er war nie ein guter Pilot. Irgendetwas lief schief, und der Hubschrauber ist ins Meer gestürzt â¦â
âEr könnte überlebt haben. Vielleicht ist es ihm gelungen, sich zu retten?â
Ihre Stimme erstarb, als Malik ernst mit dem Kopf schüttelte.
âMan hat die Leiche gefunden. Er ist tot.â
âO nein â¦â
Und sie hatte ihm Vorwürfe gemacht, weil er sie allein gelassen hatte!
Jalil war sein Bruder â wie würde sie sich fühlen, wenn Andy gestorben wäre?
Spontan setzte Abbie sich neben Malik auf den Diwan und griff nach seiner Hand. Dass er ihr Mitleid nicht wollte, kümmerte sie nicht, sie konnte einfach nicht anders.
âEs tut mir so leid.â
Ihre Worte klangen aufrichtig, stellte Malik fest. Und da war noch etwas in ihrer Stimme, in ihren Augen, das die Mauer, die er um sich herum aufgebaut hatte, durchbrach.
âWas passiert nun mit Andy?â
Natürlich, ihr Bruder.
Sich Sorgen um den eigenen Bruder zu machen, war etwas, das Malik gut verstand. Hatte er nicht immer befürchtet, dass Jalil eines Tages etwas Dummes anstellen würde, das sich nicht mehr rückgängig machen lie� Wenn es in so einem Fall auch nur die geringste Chance gegeben hätte, seinem Bruder aus der Patsche zu helfen, hätte er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihm zu helfen.
Was würde Abbie wohl alles tun, um ihren Bruder zu retten? Handelte sie wirklich so selbstlos, oder war sie schon auf der Suche nach einem Ersatz für Jalil?
âEs wird einen neuen Scheich geben â jemand wird Jalils Platz einnehmen.â
Wie er vermutet hatte, zauberte das ein Funkeln in ihre Augen. Sie hob den Kopf, und ihre Miene hellte sich auf. Dieses kleine Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte, bohrte sich wie ein Schwert in seine Eingeweide.
War es ein Lächeln der Erleichterung? Oder des Triumphs? Insgeheim verfluchte Malik sich, weil er ihre unmittelbare Reaktion auf die Nachricht von Jalils Tod nicht gesehen hatte. Hätte er ihren Gesichtsausdruck beobachtet, wüsste er jetzt, was sie dachte.
âUnd wer ist der neue Scheich?â
Wusste sie es nicht? Konnte sie es sich nicht vorstellen?
âIch muss wissen, an wen ich mich wenden muss â¦, mit wem ich sprechen muss.â
Er griff nach ihrer Hand und streichelte ihre Handfläche. Was für eine schreckliche Versuchung, sie zu testen und herauszufinden, wie weit sie gehen würde.
âBist du auf der Suche nach einem anderen Scheich, den du heiraten kannst? Wirst du dich vor ihm auf den Boden werfen â oder in sein Bett? In mein Bett?â
âDein â¦?â
Während Malik sprach, hatte Abbie auf ihre miteinander verschränkten Hände geschaut, doch nun hob sie den Kopf. Ihre Blicke trafen sich.
â Dein Bett?â
âNatürlich mein Bett.â
Wie im Reflex verstärkte Malik den Griff um ihre Hand. Als Warnung, dass er sie jederzeit zu seiner Gefangenen machen konnte. Er hielt sie nicht so fest, dass er ihr wehtat, aber fest genug, damit sie ihre nächsten Worte vorsichtig wählte. Und das Flackern in ihren grauen Augen sagte ihm, dass sie ihn verstanden hatte.
âIch bin Jalils Halbbruder und sein einziger noch lebender Verwandter ⦠Nur ich kann seinen Thron erben. Sein Land wird sich mit meinem vereinigen, und ich werde über beide herrschen.â
âDann â¦, dann hast du die Macht über Andy?â
âIch habe die Macht über alles in Barakhara.â
Sie riss ihren Blick von seinem und starrte wieder auf ihre verschränkten Hände. Allerdings war ihm ihr kleines Lächeln nicht entgangen. Dieses Lächeln kannte er. Denn er hatte es schon einmal gesehen, in jener Nacht in seinem Hotelzimmer, in seinem Bett. Als sie geglaubt hatte, er würde ihr gehören und sie hätte ihn in ihrem bezaubernden Spinnennetz gefangen.
Es war ein Lächeln weiblichen Triumphs. Plötzlich ahnte Malik, wie sich eine arme Fliege fühlen musste, die sich in einem Netz verfing und der sich die Jägerin näherte, um sie bei lebendigem Leib zu
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