JULIA EXTRA BAND 0264
waren und deren unzählige Angestellte nach seiner Pfeife tanzten, doch die Vorstellung, auf diesen kleinen Jungen zuzugehen, war zu viel für ihn.
Wenn Nicky nun doch Lucas Sohn ist?, überlegte Enrico verzweifelt. Dann hätte er sich den ganzen Nachmittag lang zum Narren gemacht. Er hatte Freya gedroht, sie erpresst und erniedrigt. Jede andere Frau in ihrer Situation hätte das Blaue vom Himmel gelogen, um mit heiler Haut davonzukommen.
Aber Freya hatte nicht gelogen.
Langsam, ganz langsam ging Enrico auf die beiden zu â er war unglaublich aufgewühlt. Die junge blonde Kindergärtnerin beobachtete ihn mit wissendem Blick â aber sie wusste nichts von Luca, oder? Enrico biss die Zähne zusammen.
Freya sah auf, bemerkte seinen Gesichtsausdruck und fragte sich, was in Enrico vorging.
Haben Sie es sich anders überlegt, Mr. Ranieri? Beängstigt Sie die Vorstellung, plötzlich Vater eines zweijährigen Sohnes zu sein? Oder halten Sie immer noch Luca für den Vater? Sie wandte schnell den Blick ab, bevor irgendjemand merkte, wie verbittert sie war.
âSag mal, Nicky, ist dir aufgefallen, dass ich gar keine Schuhe trage? Ich bin so schnell zu dir gerannt, dass ich gar keine Zeit hatte, sie anzuziehenâ, sagte sie lächelnd.
Der Kleine betrachtete ihre FüÃe und sah dann seiner Mutter in die Augen. Freya schnitt ein Gesicht, und Nicky schenkte ihr ein wundervolles Lächeln, bei dem seine weiÃen Zähnchen wie Perlen schimmerten.
âDu findest es wohl sehr lustig, dass ich auf Strümpfen hierher geschlittert bin, um dich in den Arm zu nehmen.â Behutsam küsste sie den kleinen blauen Fleck auf Nickys Wange.
âIst er verletzt?â, fragte Enrico in diesem Moment ernst, und sein italienischer Akzent war ausgeprägter denn je. âBraucht er einen Arzt?â
Freya sah Enrico so an, dass er sich wünschte, am anderen Ende der Welt zu sein. Sie schüttelte verneinend den Kopf, bevor sie sich betont fröhlich Nicky zuwandte. âIst ja nur ein Kratzer, oder, junger Mann? Brauchen wir da wirklich einen Krankenwagen mit heulender Sirene und die Feuerwehr, damit die uns den Weg frei machen?â
âNein, Mummy.â Er lachte vergnügt, und sein Schmerz schien schon vergessen zu sein.
Dann hob Nicky den Kopf und begegnete Enricos verschlossenem Blick. Freya sah besorgt zu, wie wachsam und abwartend der eben noch so fröhliche Kleine wurde.
So wird das nichts, dachte sie. Ihre Gefühle für Enrico waren eine Sache, aber die Beziehung zwischen Vater und Sohn durfte dadurch keinesfalls beeinflusst werden. Also schob sie Nicky von ihrem SchoÃ, stand auf, stellte sich schützend hinter ihn und sah Enrico an.
Dann atmete sie tief durch und sagte: âNicky, mein Schatz, ich möchte dir â¦â Zu spät! Ihr Timing hatte schon den ganzen Tag lang nicht gestimmt. Hilflos beobachtete sie, wie Vater und Sohn einander musterten. Enrico hatte wieder diesen besitzergreifenden Blick, der sie schon im Foyer gestört hatte.
Das ist mein Sohn, dachte Enrico. Wie konnte ich nur so dumm sein zu glauben, er könnte Lucas Sprössling sein?
Nicky hatte seine dunklen Augen, mit denen er ihn jetzt ansah, dass es ihm fast das Herz brach. Enrico fühlte sich völlig hilflos. Er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Auf so ein herzzerreiÃendes Gefühl war er nicht vorbereitet gewesen.
Also stand er einfach nur da und lieà sich von seiner Miniaturausgabe von Kopf bis Fuà mustern. Ich wirke bestimmt furchteinflöÃend, dachte Enrico und war sich bewusst, dass er eine freundliche Geste machen sollte, um die spannungsgeladene Situation zu entschärfen. Aber wie? Und dann vor all diesen Menschen â¦
Wahrscheinlich dachten sie, er wäre nicht besonders kinderlieb. Er brachte ja nicht einmal ein Lächeln zustande.
Als Freya Nickys Schultern umfasste, wusste Enrico, dass er den Zeitpunkt verpasst hatte. Gleich würde sie mit dem Jungen fortgehen, wenn er, Enrico, nicht bald etwas tat.
Er ging in die Hocke. Das Herz klopfte ihm zum Zerspringen. â Ciaoâ, brachte er rau hervor und wunderte sich, wieso er italienisch sprach.
Es kam jedoch keine Antwort. Enrico war völlig verunsichert. SchlieÃlich hob er eine Hand und öffnete sie.
Der Junge erblickte den roten Spielzeug-Ferrari, dann sah er Enrico in die Augen. âIst das meiner?â, fragte er.
Enrico nickte. Wieder fiel
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