JULIA EXTRA BAND 0269
nur in Gesellschaft eines Glases Weißwein und ein wenig Mozart über dem Studium verschiedener Berichte verbracht hatte, erkannte Gabriel, dass er gegen seine beunruhigende Situation etwas unternehmen musste. Es war schon schlimm genug, wegen einer Frau nicht schlafen zu können, aber tagsüber auch noch seine Konzentration zu verlieren, war absolut inakzeptabel.
Die einzige Lösung zur Befriedigung seiner quälenden Neugier lag darin, Rose in sein Bett zu bekommen. Und zwar so bald wie möglich. Wenn er nur daran dachte, geriet sein Blut in Wallung.
Er machte den Anruf um Viertel nach neun am nächsten Morgen. Rose nahm ihn entgegen, womit er natürlich gerechnet hatte.
„Sollten Sie nicht hier sein, Gabriel? Ich habe zweimal Ihren Terminkalender überprüft. Ihr erstes Meeting ist erst um elf. Mit den Leuten von Shipley Crew …“ Rose hatte kaum ihren Augen getraut, als sie ins Büro kam und ihr Boss noch nicht da war. Das war noch nie vorgekommen.
„Sagen Sie all meine Termine für heute ab, Rose. Frank kann Shipley allein erledigen, oder er soll Jenkins mitnehmen, falls sie eine Expertenmeinung brauchen.“
„Wo sind Sie?“
„Zu Hause.“
„Was machen Sie da?“
„Ich fühle mich nicht ganz wohl.“
„Sie fühlen sich nicht ganz wohl? Heißt das, Sie sind krank? Sie sind niemals krank, Gabriel!“
„Sagen Sie das mal dem Kratzen, das sich in meinem Hals eingenistet hat.“ Er unterstrich die Aussage, indem er ein wenig hustete.
Rose war hin und her gerissen. Entweder war das typische männliche Wehleidigkeit, oder er war tatsächlich krank. So krank, dass er ins Krankenhaus gehörte .
„Gestern schienen Sie noch ganz in Ordnung zu sein“, erklärte sie brüsk. „Sind Sie sicher …“, sie entschied sich für die am wenigsten besorgniserregende Möglichkeit, „… dass Sie keinen Kater haben?“
„Ich denke, ich bin alt und erfahren genug, um einen Kater zu erkennen“, antwortete er.
„Dann haben Sie sich vermutlich nur ein Virus eingefangen. Davon liegen zurzeit einige in der Luft. Ich verlege all Ihre Meetings, und Sie können mir später am Tag mitteilen, ob ich auch für morgen Termine absagen soll.“
„Sie müssen zu mir kommen, Rose.“
„Wie bitte?“
„Sie müssen ein paar dringende Sachen für mich tippen.“
„Sie können nicht arbeiten, wenn Sie krank sind!“
„Sie wissen doch, wo ich wohne, oder?“
„Ich kann nicht zu Ihnen rüberkommen, Gabriel!“
„Warum nicht?“
„Weil … weil ich hier furchtbar viel zu tun habe …“
„Und ich habe furchtbar viel hier zu tun. Nehmen Sie sich einen Zettel und notieren Sie meine Adresse. Und fahren Sie um Himmels willen nicht mit dem Bus. Nehmen Sie ein Taxi. Ich möchte, dass Sie noch vor Ende der Woche hier eintreffen.“ Ohne ihr die Möglichkeit zu weiterem Protest zu geben, diktierte er ihr seine Adresse und wiederholte sie dann sicherheitshalber noch einmal. „Haben Sie das?“
„Ja, aber …“
„Es sollte ungefähr eine halbe Stunde dauern, hierherzukommen, selbst bei etwas Verkehr. Ich erwarte Sie dann also gegen zehn. Die Haustür wird offen sein, sodass Sie einfach hereinkommen können.“ Als er auflegte, hätte er schwören können, dass er noch ein weiteres Aber hörte.
Rose starrte im ersten Moment konsterniert auf den Hörer in ihrer Hand, dann auf den Zettel mit der Adresse vor sich. Allein der Gedanke, sein Haus oder Apartment zu betreten, machte sie schwindelig. Doch was, wenn er tatsächlich krank war? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er von sich aus zum Arzt ging. Wenn er überhaupt einen besaß!
Ein Gefühl dunkler Vorahnung beschlich sie, als sie ihre Sachen zusammenpackte. Mehrere Disketten, ihren Laptop, Post und ein paar Unterlagen, die Gabriel unterschreiben musste. Dann verlegte sie Termine und gab einigen Leuten aus der Finanzabteilung Bescheid, die ihren Chef zumindest für diesen Tag vertreten mussten. Als sie das Gebäude verließ, erwischte sie ein Taxi, aus dem gerade jemand ausstieg.
Sobald sie auf dem Rücksitz Platz genommen und dem Fahrer die Adresse genannt hatte, machte sich Nervosität in ihr breit. Verzweifelt bemühte sie sich, nicht daran zu denken, wie es sein würde, wenn sie in seine private Domäne eindrang. Sie hoffte, dass sein Domizil nicht zu eindrucksvoll war.
Vergeblich. Das wusste sie in dem Moment, als das Taxi vor einem fantastischen viktorianischen Stadthaus in äußerst exklusiver Lage anhielt. Die Tür stand, wie versprochen, offen,
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