JULIA EXTRA BAND 0269
selbst dokumentieren muss. Ich tippe mal auf vier Tage, bis wir alles unter Kontrolle haben.“
Rose starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Sie wollen allen Ernstes arbeiten, während um Sie herum ein Hurrikan wütet?“
„Wir wissen gar nicht mit Sicherheit, ob der Hurrikan tatsächlich auf die Insel trifft.“
„Die Meteorologen scheinen davon aber ziemlich überzeugt zu sein.“
„Meteorologen geben ständig falsche Wettervorhersagen ab. In jeder anderen Branche würden sie sofort gefeuert werden, so unzuverlässig sind die Aussagen.“
Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Gabriel redete bereits weiter und äußerte seine Pläne laut.
„Mir ist natürlich klar, dass Sie mit der Aussicht auf diesen Kurs und eine ganz neue Karriere vielleicht nicht mehr bereit sind, Ihrem gegenwärtigen Job die volle Aufmerksamkeit zu schenken, zumindest nicht, wenn es darum geht, ins Ausland zu reisen …“
„Sie wissen ganz genau, dass ich immer hundertfünfzig Prozent gebe!“
„Es sei denn, es passt gerade nicht, weil Sie eine Verabredung haben …“
„Es wird sowieso niemand auf der Insel sein“, wandte Rose ein. „Mit wem wollen Sie denn über das Bauprojekt sprechen, wenn keiner da ist?“
„Natürlich werden Leute da sein! Glauben Sie, dass alle ein zweites Haus irgendwo anders besitzen, in das sie sich praktischerweise zurückziehen können?“
Rose errötete und schaute ihn trotzig an. „Dann gehe ich jetzt und kümmere mich um den Flug.“
„Buchen Sie zwei.“
„Aber …“
„Hören Sie, Rose, machen wir es so. Sie buchen zwei Flüge, und wenn Sie sich dazu entschließen, mich zu begleiten, dannbin ich sehr dankbar.“
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder irgendeinem Bericht auf seinem Computerbildschirm zu, und Rose, die den Wink verstand, verließ sein Büro, indem sie leise die Tür hinter sich schloss.
Also gut, sie würde zwei Flüge buchen. Immerhin hatte er ihr die Erlaubnis gegeben, ihre Entscheidung zu ändern. Der verschwendete Flug würde ihn finanziell nicht belasten.
Sie bekam zwei Plätze in einer Maschine direkt am nächsten Morgen. Im Internet sah sie sich noch einmal die Wetterprognosen für die Region an. Demnach war es eher unwahrscheinlich, dass der Hurrikan auf die Insel traf. Vermutlich würden sie tatsächlich einiges an Arbeit erledigen können.
Kurz dachte sie darüber nach, wie leicht sie seinem Wunsch, ihn zu begleiten, nachgegeben hatte. Dennoch – vier Tage waren nicht lang, und vermutlich wurden es sogar noch weniger, je nach den Umständen.
Genau das sagte sie sich auch am nächsten Morgen, als sie ihren Koffer packte. Gabriel würde seinen Laptop mitnehmen, obwohl keiner zu sagen wusste, ob man ihn an eine Telefonleitung würde anschließen können. Für alle Fälle nahm sie Block und Stifte mit – diese altmodischen Hilfsmittel waren in Notsituationen immer noch die besten.
Zuerst flogen sie zu einer der Hauptinseln. Den Großteil des Fluges verbrachten sie mit Arbeit. Rose ging in geradezu atemberaubendem Tempo die Berichte durch. Sie diskutierten, wie die ungesicherten Stellen des Bauplatzes abgeschottet werden konnten, falls schlechtes Wetter aufkommen sollte. Wenn sie nicht arbeiteten, tat Rose so, als schliefe sie. Es wurde erst etwas hektischer, als sie umsteigen und dann ein Boot chartern mussten, das sie auf die Insel brachte. Der Kapitän ermahnte sie während der kompletten Überfahrt, wie verrückt es sei, bei diesem Wetter auf die Insel zu wollen. Ein Hurrikan traf nur ganz selten auf diese Region, und dass diesmal die Möglichkeit bestand, schien den Mann geradezu zu begeistern.
Als sie ihr endgültiges Ziel schließlich erreichten, war Rose todmüde. Sie war vor fünf Uhr morgens aufgestanden und hatte nur wenig gegessen. Doch sobald sie ausstieg und dasBauprojekt vor sich sah, verflog die Müdigkeit.
Das Vorhaben war derart ehrgeizig und bereits in unvollendetem Zustand so beeindruckend, dass sie nur staunen konnte.
„Gefällt es Ihnen?“, fragte Gabriel direkt hinter ihr.
„Es gibt noch einiges zu tun“, versetzte sie spröde.
„Feigling. Warum geben Sie nicht zu, dass Sie überwältigt sind? Es ist ein architektonisches Abenteuer.“
„Wer hat es entworfen?“
„Ich.“
„Sie?“
„Kein Grund, so schockiert zu klingen.“ Gabriel legte seine Hand leicht um ihren Ellbogen und führte sie weiter. „Sie sind nicht die Einzige, die ein paar Geheimnisse hat.“
Rose war zu verblüfft von
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