JULIA EXTRA BAND 0269
dem, was sie sah, um ihm zu antworten. Allerdings fragte sie sich doch, wie sicher das Bauwerk in einem aufziehenden Hurrikan sein würde. Es wirkte ziemlich solide, aber sie hatte keine Ahnung von Mauern und Fundamenten.
„Alles, was sich lösen könnte, wurde sicher verstaut“, erklärte Gabriel in diesem Moment, so als habe er ihre Gedanken gelesen. „Wenn es zum Schlimmsten kommt, werden keine Bretter oder Ziegel durch die Gegend fliegen.“
„Der Himmel ist so blau … man kann sich kaum vorstellen, dass ein Hurrikan im Anmarsch sein könnte.“
„Ich weiß, aber in diesem Teil der Welt verändert sich das Wetter manchmal binnen weniger Minuten. Das stimmt doch, Junior?“
Junior, ihr Fahrer, der sie von dem kleinen Privathafen zu dem Anwesen gebracht hatte, war mindestens siebzig und voller Weisheit. Während sie das Gebäude betraten, hielt er einen ausführlichen Monolog über die trügerischen Wetterkapriolen der Karibik.
Rose war die Erste, die überrascht stehen blieb und den Blick schweifen ließ. Die Fassade war schon ungeheuer beeindruckend, doch das Innere übertraf das noch bei Weitem. Sie hatte einen Rohbau erwartet. Weit gefehlt! Das fast schon perfekt gestaltete Foyer bestand ganz aus schwarzen und weißen Fliesen, die einen wunderbaren Rahmen für den spektakulären Wasserfall boten, den man am Ende der Eingangshalle geschaffen hatte. Die Räume im Erdgeschoss, erklärte Gabriel ihr, gehörten zur Küche und zum Restaurant. Außerdem würde es einen Swimmingpool mit Saunalandschaft geben. Im oberen Stockwerk waren Wohn- und Schlafräume untergebracht, die von den Gästen zu jeder Tages- und Nachtzeit genutzt werden konnten. Insgesamt sollte es mehr den Charakter eines Zuhauses als eines Hotels erwecken.
„Ich kenne niemanden, der ein Heim wie dieses besitzt“, murmelte Rose, die die ganze Kunstfertigkeit des Designs auf sich wirken ließ. „Das haben wirklich alles Sie entworfen?“
„Ich bin ein Hobbyarchitekt“, gab er leichthin zurück. „Lassen Sie die Koffer dort stehen, Junior, und fahren Sie nach Hause.“ Er grinste den alten Mann an, der schon protestieren wollte. „Wir haben zu essen, wir haben Getränke. Wir kommen zurecht. Wenn das Schlimmste vorbei ist, dann können Sie hier wieder auftauchen.“
Rose bekam den Wortwechsel nur mit halbem Ohr mit, denn sie war unterdessen weitergegangen, um die Villa zu erkunden. Dabei registrierte sie, dass das Bauprojekt wirklich viel weiter vorangeschritten war, als sie geglaubt hatte. So viel also zu ihren Befürchtungen, Gabriel könnte in einem Gebäude ohne Dach kampieren, mit fehlenden Wänden und ohne sanitäre Anlagen, während um ihn herum die Naturgewalten tosten.
„Ich wusste nicht, dass das Gebäude schon fast fertig ist!“, sagte sie anklagend. „Wo ist Junior?“
„Er muss sich um seine Familie kümmern.“
Also würden sie beide hier allein zurückbleiben. Allein!
In der Hektik der Reisevorbereitung hatte sich Rose keine Gedanken darum gemacht, wie sich die Situation genau gestalten würde, wenn sie an ihrem Ziel ankamen. In diesem Moment brach die Realität mit aller Macht über sie herein, und sie merkte, wie sie weiche Knie bekam.
„Er wäre geblieben. Vermutlich hätte er sogar seine Frau und seine drei Töchter hergebracht, damit sie uns behilflich sind, aber das wäre nicht fair gewesen, oder?“
„Natürlich nicht.“ Viele leere Zimmer und nur sie beide hier. Während sie gemeinsam auf den Sturm warteten.
„Wir gehen besser in die Küche und schauen mal nach, wases zu essen gibt. Danach können wir uns um die Schlafmöglichkeiten kümmern.“
Von draußen hörte Rose das Rauschen der Brandung und die unzähligen Geräusche der Nacht. Es ließ sie an ihre Reise nach Australien und die Gespräche mit ihrer Schwester denken, was nicht besonders gut war, denn es erinnerte sie auch daran, dass sie jetzt gar nicht mit Gabriel hier sein dürfte. Sie hätte schon längst kündigen und eine andere Stelle finden sollen.
Gabriel hatte sich bereits auf den Weg gemacht, und Rose folgte ihm hastig.
Atemlos bestaunte sie die fast fertig renovierten Räume. „Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass noch viel Arbeit erledigt werden muss, und dass Sie vor Ort sein müssen, für den Fall, dass der Hurrikan auf die Insel trifft?“
Mittlerweile waren sie in der Küche angekommen, die über eine gewisse Basisausstattung verfügte. Es gab einen Kühlschrank, der offensichtlich von den Arbeitern genutzt wurde, und
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