JULIA EXTRA BAND 0273
einmal sehen.“
„Spence wird dich auch nachmittags wieder ins Krankenhaus fahren.“
„Ich nehme lieber die öffentlichen Verkehrsmittel.“
„Kommt nicht in Frage!“ Seine Stimme klang hart und unnachgiebig.
„Warum nicht?“ Sie wollte unabhängig bleiben.
Er schaute ihr fragend in die Augen. „Du möchtest wohl Grenzen setzen?“
Sie hielt seinem Blick stand. „Ja.“
„Darüber werden wir beim Abendessen diskutieren.“
„Das müssen wir wohl.“ Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum und eilte zur Treppe. Duardo blieb an ihrer Seite, bis sie die Eingangshalle erreichten. Dort trennten sich ihre Wege.
Kayla fand das Esszimmer und begrüßte Maria mit einem Lächeln.
Was die Haushälterin für sie vorbereitet hatte, war ein wahres Festmahl. Orangensaft, Kaffee, Cornflakes, Obst, Rührei und Toast. Kayla hatte den nötigen Appetit, um von allem zu probieren, und setzte sich. Jahrelang war keine Zeit für ein ruhiges Frühstück gewesen.
Als sie ihren Kaffee ausgetrunken hatte, erschien Spence. Sie nahm ihre Tasche und folgte ihm zum Wagen.
Wegen des Morgenverkehrs kamen sie nur schleppend voran. Kayla hing ihren Gedanken nach. Sie hatte eine Menge Fragen an Spence, aber sie stellte nur eine einzige. „Kennen Sie Duardo aus New York?“
Der Fahrer lächelte. „Ja, viele Jahre schon. Ich bin dann mit ihm nach Australien gegangen und kümmere mich hier um seine Sicherheit.“
Hatten die beiden Männer damals gemeinsam krumme Geschäfte gemacht? Sich mit Glück und Geschick durchgeboxt? Leib und Leben für den Erfolg riskiert?
Duardo war gewiss nicht auf herkömmlichem Weg so weit gekommen.
„Sie sorgen also dafür, dass in seinem Leben alles glatt läuft“, stellte sie fest.
Spence lachte leise auf. „So könnte man es ausdrücken.“
Wahrscheinlich nahm er noch andere Sicherheitsaufgaben wahr und spielte nicht nur den Bodyguard und den Fahrer.
Es war fast halb neun, als sie das Krankenhaus erreichten. „In einer Dreiviertelstunde erwarte ich Sie hier“, sagte Spence. „Bevor Sie um zwölf den Anwaltstermin wahrnehmen, werden wir eine Einkaufstour machen.“
„Das ist wohl ein Scherz?“
Er schaute sie irritiert an. „Haben Sie etwas dagegen, dass ich Sie begleite?“
So hatte sie das nicht gemeint. Sie lächelte. „Um viertel nach neun bin ich wieder da.“
Wenige Minuten später stand sie in Jacobs Einzelzimmer.
„Hallo.“ Kayla trat an sein Bett vor dem Fenster und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Hallo“, erwiderte ihr Bruder mit schläfriger Stimme. Offenbar hatte er schon ein Beruhigungsmittel bekommen. Kayla strich ihm mitfühlend über das Haar. Jacob war für sie der wichtigste Mensch auf der Welt. Seit dem Tod ihrer Mutter hatten sie einander bedingungslos beigestanden, gemeinsam getrauert, gemeinsam der Verzweiflung getrotzt und um ein Minimum von Würde gekämpft, als ihr Vater mitsamt seinem Imperium untergegangen war.
Danach, als sie völlig verarmt waren, hatte Jacob alle anderen Pläne aufgegeben, und sie hatten beide bis spät in die Nächte gearbeitet, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und Schulden abzuzahlen.
Sie betrachtete die Verletzungen an seinem Kiefer und der Wange. Heute bei Tageslicht waren sie viel deutlicher zu erkennen als am vorigen Abend. Wie viele davon hatte man ihm noch zugefügt?
Am meisten aber sorgte sie sich um sein Bein mit dem zertrümmerten Knie. Sie dachte an die bevorstehende Operationund hoffte, dass sie erfolgreich verlaufen würde. Nicht auszudenken, wenn Jacob einen dauerhaften Schaden davontrüge, nicht laufen und Sport treiben könnte.
Die Angst um sein Wohlergehen rückte Duardos Angebot und auch ihre Gründe, es anzunehmen, ins rechte Licht.
„Wie fühlst du dich?“, fragte sie mitfühlend.
Ihr Bruder lächelte schwach. „Ich bin nicht mehr ganz da.“
„Alles wird gut ausgehen.“
„Danke.“ Er drückte ihre Hand, und Kayla musste alle Kraft zusammennehmen, um gegen die aufsteigenden Tränen anzukämpfen.
Wenige Minuten später kam eine Krankenschwester, prüfte seinen Zustand und rief dann Krankenpfleger, damit sie ihn in den Operationssaal brachten.
„Am Ende des Korridors gibt es einen Besucherraum, wo Sie warten können“, sagte die Schwester zu Kayla. „Aber in den nächsten fünf Stunden wird Ihr Bruder nicht in sein Zimmer zurückgebracht.“
Kayla bedankte sich für die liebevolle Pflege, hinterließ bei der Oberschwester ihre Handynummer und bat um einen Anruf, falls
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