JULIA EXTRA BAND 0273
ihre Eltern verloren und waren so oft hin und her geschoben worden, dass sie niemandem mehr vertrauten.“
„Ja, es ist eine traurige Tatsache, dass viele Kinder einen oder sogar beide Elternteile verlieren.“ Charles hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen, als die altbekannten Schuldgefühle wieder in ihm aufkeimten. „Aber deshalb müssen diese Kindern nicht zwangsläufig zu Außenseitern werden, die sich nicht in die Gesellschaft integrieren können.“
„Nein“, stimmte Laurel ihm zu. Ihre Stimme klang nun sanfter, und auch ihre grünen Augen strahlten Wärme aus. „Nur gewöhnen sich manche Menschen so sehr an die Einsamkeit, dass sie sich irgendwann entscheiden, für immer allein zu bleiben. Und ich möchte auf keinen Fall, dass Penny dies passiert.“
„Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen“, wehrte Charles ab. „Eigentlich wollte ich auch über etwas ganz anderes mit Ihnen sprechen.“
„Tatsächlich?“, fragte Laurel überrascht.
Er nickte. „Ich weiß wirklich zu schätzen, wie liebevoll Sie mit Penny umgehen und wie sehr Ihnen das Wohlergehen meiner Tochter am Herzen liegt. Doch ich befürchte, in absehbarer Zeit, wenn sie ein neues Kindermädchen hat, wird es sehr schwer für sie werden.“
Laurel schluckte. „Warum kann sie dann nicht einfach ihr jetziges Kindermädchen behalten? Ich hatte gehofft, dass Sie merken, wie gut ich Penny tue.“
„Ja, ich habe gemerkt, dass sie Ihnen wichtig ist. Aber ichhatte doch von Anfang an meine Absicht deutlich gemacht, dass ich langfristig eine reifere Betreuerin für Penny einstellen möchte. Und deshalb habe ich heute bereits die ersten Bewerbungsgespräche geführt.“
„Oh.“ Laurel war wie vor den Kopf gestoßen. „Haben Sie jemanden gefunden, der Ihren Vorstellungen entspricht?“
„Nein. Aber zumindest weiß ich jetzt genauer, was ich will.“ Bewusst verdrängte er den Gedanken, dass er eigentlich Laurel wollte. Natürlich nur Penny zuliebe. „Ich bin der Meinung, wir sollten Penny so bald wie möglich sagen, dass Sie gehen werden – damit sie Sie nicht zu lieb gewinnt.“
„Ich verstehe.“
Schlagartig erlosch das Glänzen ihrer grünen Augen, das Charles eben noch bemerkt hatte. Überrascht stellte er fest, wie sehr er dies bedauerte. Er wünschte sich, Laurel lächeln zu sehen, denn er gewöhnte sich, wie man so schön sagte, immer mehr an dieses Strahlen auf ihrem Gesicht. Doch das nützte ihm ebenso wenig wie Penny. Schlimmer vielleicht sogar, denn er ahnte, dass er Laurel so bald nicht wieder würde vergessen können.
„Ich möchte Sie vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis entlassen“, sagte er, doch seine Stimme klang weit weniger entschlossen, als das bei einem geschäftlichen Gespräch wünschenswert war. „Natürlich werden Sie trotzdem Ihr Gehalt beziehen. Sie können sich dann ganz in Ruhe eine neue Stelle suchen.“
„Ich soll also früher gehen als vereinbart“, stellte Laurel fest.
„Genau.“
„Das lohnt sich nicht.“
Irritiert blickte Charles sie an. „Soll das bedeuten, Sie fordern mehr Geld?“, fragte er überrascht, denn eigentlich hatte er Laurel nicht als habgierig eingeschätzt.
„Nein, natürlich nicht.“ Sie klang gekränkt. „Mir geht es nicht ums Geld – zumindest nicht, seit ich Penny kennengelernt habe.“
„Was meinten Sie dann mit ‚Das lohnt sich nicht‘?“
„Dass ich Ihre Tochter nicht wegen des Gehalts für zwei Wochen im Stich lassen werde.“
Charles runzelte die Stirn. „Im Stich lassen – wovon reden Sie eigentlich? Ich stellte Sie lediglich von Ihrer Arbeit frei!“
Laurel straffte sich. „Und ich lehne ab.“
„Wie bitte? Sie lehnen ab?“, fragte er ungläubig. „Sie können sich nicht weigern, entlassen zu werden!“
„Das stimmt, aber immerhin haben wir einen Vertrag, an den Sie ebenso gebunden sind wie ich. Ohne guten Grund – und Beispiele dafür sind im Vertrag ja angegeben – können Sie mich nicht einfach wegschicken.“
„Nicht ohne Bezahlung“, erklärte Charles. „Ich biete Ihnen aber an, trotzdem bis zum Ende der offiziellen Laufzeit des Arbeitsvertrags Ihr Gehalt zu zahlen.“
„Dieser spezielle Fall kommt im Vertrag nicht vor“, entgegnete Laurel.
„Implizit schon.“ Er konnte es nicht fassen. Warum, um alles in der Welt, wollte Laurel bleiben und weiterarbeiten, wenn sie das volle Gehalt dafür beziehen würde, dass sie ginge? Sie musste verrückt sein!
„Implizit? Ich glaube nicht, dass so etwas vor Gericht
Weitere Kostenlose Bücher