JULIA EXTRA BAND 0273
machte sich sofort wieder daran, ihre Ansicht darzulegen. „Ob Sie meine Meinung in dieser Hinsicht nun teilen oder nicht – und Sie haben ja deutlich gemacht, dass Sie es nicht tun –, Penny braucht emotionale Unterstützung, und zwar jetzt. Sie hat ihre Mutter verloren und in geringerem Ausmaß auch Sie …“
„Ich bin doch noch da“, unterbrach Charles sie.
„Manchmal. Manchmal aber auch nicht.“ Laurel hatte einen scharfen Blick. Sie hörte ihm zwar zu, ließ sich jedoch nicht darin beirren, wie die Dinge ihrer Meinung nach zu sein hatten. „Und wenn Sie hier sind, beschäftigen Sie sich dann wirklich mit ihr?“
Nein, dachte Charles, das tue ich nicht. „Sie haben recht“, antwortete er. „Ich bin nicht immer hier, weil ich oft geschäftlich nach New York, Frankreich, Italien oder an andere Orte reisen muss – überall dorthin, wo es einen wichtigen Markt für Wein gibt. Penny braucht also jemanden, der sich langfristig um sie kümmern kann. Eine Frau, deren Kinder schon erwachsen sind oder die beschlossen hat, keine eigene Familie zu gründen. Mit anderen Worten: Meine Tochter braucht ein Kindermädchen,das bereit ist, sich für lange Zeit zu verpflichten.“
„Und wie kommen Sie darauf, dass ich dazu nicht bereit wäre?“, fragte Laurel entgeistert.
„Weil Sie jung, schön und gerade erst in die USA zurückgekehrt sind, nachdem Sie einen guten Teil Ihrer besten Jahre in einem Dritte-Welt-Land verbracht haben“, zählte Charles an den Fingern auf. „Sie sind ja noch nicht einmal dreißig und können also gar nicht wissen, was Ihre Zukunft bringen wird.“
Kaum hatte er dies ausgesprochen, musste er an die Wahrsagerin vom River Witch Festival denken. Das brachte ihn einen Moment zum Schweigen. Nicht, weil er der Frau geglaubt hatte. Doch jeder, der ihre Worte gehört hatte, würde über den Satz „Sie können gar nicht wissen, was Ihre Zukunft bringen wird“ stolpern.
Charles wusste nur, was die Zukunft nicht bringen würde. Denn die Wahrsagerin hatte sich getäuscht: Er würde sein Leben nicht mit Laurel Midland teilen.
10. KAPITEL
„Natürlich weiß niemand, was die Zukunft bringen wird“, sagte Laurel, obwohl auch ihr die Worte der Wahrsagerin in Chapawpa noch immer durch den Kopf gingen und das Erlebnis mit dem Hellseher in Lenovien wieder wachgerufen hatte.
Stimmte es also wirklich, dass niemand in die Zukunft blicken konnte? Und falls es doch so jemanden gab, war es dann nicht dumm, dessen Warnungen zu ignorieren?
Laurel verdrängte diese unheimlichen Gedanken.
„Man muss auch gar keine übersinnlichen Fähigkeiten besitzen, um zu verstehen, was Penny braucht“, fuhr sie fort und fügte mit Nachdruck hinzu: „Sie braucht mich. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich mich nicht Hals über Kopf in irgendeinen Aufschneider vergucke und mich mit ihm davonmache.“
„Das können Sie nicht wissen“, wandte Charles ein.
„Ich verspreche Ihnen, dass ich Penny nicht im Stich lassen werde“, erwiderte Laurel eindringlich.
„Und wenn Sie sich dann doch verlieben?“, fragte er.
Das ist eine völlig absurde Vorstellung, wollte Laurel spontan antworten. Doch als sie Charles anblickte, hielt irgendetwas sie davon ab. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen und beschwören, dass sie sich niemals verlieben würde. Also schnaufte sie nur verächtlich. „Das ist sehr unwahrscheinlich.“
Charles zog eine Augenbraue hoch. „Tatsächlich?“ Die Frage schien ihn wirklich zu interessieren. Oder bildete Laurel sich das nur ein?
„Ja.“
„Sie werden sich also niemals verlieben?“
Laurel schluckte. „Nicht in der nahen Zukunft.“
„Und woher wollen Sie wissen, dass Sie nicht nächste Woche Ihrem Traumprinzen begegnen, der Sie im Sturm erobern wird?“
Sie räusperte sich und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen. „So leicht bin ich nicht zu erobern, Mr. Gray.“
„Charles“, berichtigte er.
„Also gut, Charles. Ich verstehe den Sinn dieser Unterhaltung nicht. Man könnte wirklich denken, Sie sprechen mit einem launischen jungen Mädchen, das jede Woche von einem anderen Mann schwärmt. Wodurch habe ich bei Ihnen den Eindruck hinterlassen, flatterhaft oder unzuverlässig zu sein?“
„Es ist nicht persönlich gemeint“, verteidigte sich Charles. „In Ihrem Alter kann einfach alles passieren“, fügte er hinzu und nickte, als müsste er sich selbst überzeugen.
„In meinem Alter?“, wiederholte Laurel fassungslos. Sie war doch keine Dreizehnjährige!
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