JULIA EXTRA BAND 0273
war er sogar bereit, sie anzuflehen.
Er stand aus seinem bequemen Sessel auf, ging zur kleinen Hausbar, die im aufklappbaren Bücherregal verborgen war, direkt hinter den Werken von Mark Twain. Doch als er gerade die Flasche Scotch öffnen wollte, hielt er inne. Der Whisky war ziemlich stark, und solange eine Frau wie Laurel im Haus war,sollte er lieber bei klarem Verstand bleiben.
Also nahm er stattdessen eine Flasche 2001er Cabernet, zog den Korken heraus und goss die rubinrote Flüssigkeit in ein Glas. Tief in Gedanken fragte er sich, was nur in den vergangenen Wochen in seinem Leben passiert war. Wie hatte sich alles so schnell ändern können?
Es war schon eine Ironie des Schicksal: Charles, der noch nie in seinem Leben eine Frau um etwas hatte bitten müssen, war nun vielleicht dazu gezwungen – seiner sechsjährigen Tochter zuliebe. Aber wenn es nun einmal notwendig ist, tue ich es, dachte er. Für Penny.
Er leerte das Glas, schenkte sich ein zweites ein und stellte die Flasche zurück. Doch kaum hatte er die kleine Bar wieder geschlossen, als Laurel Midland höchstpersönlich zurück ins Arbeitzimmer gestürmt kam.
„Hören Sie“, sagte sie ohne Einleitung. „Ich weiß, dass Sie viel Wert auf Ihre Privatsphäre legen und dass es wahrscheinlich nichts Unpassenderes gibt, als hier hereinzuplatzen, nachdem Sie mich gerade weggeschickt haben – noch dazu, um Ihnen zu sagen, dass Sie falsch liegen. Aber ich habe keine andere Wahl. Also: Sie liegen falsch, Mr. … Charles. Völlig falsch.“
„In Bezug auf was?“, fragte er, glaubte jedoch, die Antwort schon zu kennen.
„In Bezug auf Penny – genauer gesagt, in Bezug auf meine Rolle als ihr Kindermädchen.“
Charles zog eine Augenbraue hoch und wartete darauf, dass Laurel weitersprechen würde. Was sie wie erwartet tat.
„Ich will damit nicht sagen, dass ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der diese Aufgabe hätte übernehmen können. Aber, aus welchem Grund auch immer, Penny hat mich lieb gewonnen und vertraut mir. Und ich habe nicht vor, sie zu enttäuschen.“ Laurel verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich werde nicht gehen.“
Wirklich interessant, dachte Charles amüsiert und unterdrückte ein Lächeln. Das war ihm schon seit langer Zeit nicht mehr mit einer Frau passiert: Laurels Gesellschaft machte ihm ziemlich viel Spaß. Nicht alle Menschen trauten sich, ihm gegenüber so direkt zu sein. Eigentlich schien das sogar kaum jemand zu tun, zumindest keiner von seinen Angestellten. Deshalb fand er Laurels Verhalten zwar tadelnswert, abereigentlich auch wohltuend und beschloss, es ihr gleichzutun.
„Mögen Sie Wein?“, fragte er.
Laurel wirkte irritiert. „Ob ich … ob ich Wein mag?“
„Genau.“ Er stand auf und ging zu der versteckten Bar.
„Worum geht es Ihnen: Darum, ob ich ein Alkoholproblem habe, oder was ich von Ihrem Familienunternehmen halte?“
Charles musste lachen. „Eigentlich wollte ich nur wissen, ob Sie Wein mögen.“ Er öffnete die kleine Bar und nahm die angebrochene Flasche heraus.
„Ich … ab und zu trinke ich ein Glas. Nicht übermäßig oft, aber …“
Er konnte fast sehen, was in ihrem Kopf vorging: Das Familienunternehmen gutzuheißen war wichtiger, als Alkoholgenuss abzulehnen.
„… aber natürlich trinke ich gern Wein.“
„Wir haben einen Cabernet, zu dem ich gern Ihre Meinung hören würde.“ In Wirklichkeit wusste Charles genau, dass der Wein ausgezeichnet war. Aber er wollte, dass Laurel sich ein wenig entspannte. „Möchten Sie ihn probieren?“
Plötzlich kamen ihm Bedenken. Ging er zu weit? War sein Verhalten zu vertraut? Doch auch wenn es so war: Charles wollte sich nicht zurücknehmen. Es war so verdammt lange her, dass er eine persönliche Beziehung zu einem anderen Menschen gehabt hatte.
„Ich …“ Laurel wirkte verunsichert, also schenkte Charles ihr einfach etwas ein.
„Probieren Sie. Es ist ein guter Jahrgang.“
Sie trank einen Schluck, schloss einen Moment die Augen und sagte dann: „Ja, der Wein ist wirklich sehr gut.“
Du meine Güte, dachte Charles. Sie war so wunderschön! Plötzlich verspürte er den heftigen Wunsch, sie zu küssen. Am Wein konnte es nicht liegen, schließlich hatte er nur wenig getrunken.
„Was ist denn?“, fragte Laurel und wich einen Schritt zurück.
„Nichts.“ Charles versuchte, seine Gedanken zu ordnen. „Warum?“
„Wie Sie mich angesehen haben“, erwiderte sie. „So …“ Sie unterbrach sich und errötete.
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