JULIA EXTRA BAND 0273
gewesen. Es gab so viele Möglichkeiten zu bedenken, so viele Fallen, in die sie hineintappen konnte. Beim Aufwachen fühlte sie sich wie gerädert. Francesca hingegen war bereits wach und spielte mit ihrem Teddy.
„Ist der Teddy hungrig?“, fragte Kate verschlafen. Sie wusste, wie wichtig es war, Francesca alles so normal wie nur möglich zu vermitteln.
„Und wie! Er schimpft schon ganz doll.“ Francesca hielt sich den zerzausten Brummbären ans Ohr.
„Ich bin sicher, dass wir etwas für ihn zum Frühstück finden.“ Kate war schon halb aus dem Bett, als es an die Tür klopfte.
„Wer ist das, Mummy? Tante Meredith oder Caddy?“
Das Herz klopfte Kate plötzlich bis zum Hals. Sie legte denFinger an die Lippen. Es war genau wie erwartet. In einer fremden Umgebung hielt sich ein Kind immer an das Vertraute. „Weißt du nicht mehr, wen du gestern kennengelernt hast?“ Damit Santino sie nicht hören konnte, flüsterte sie.
„Wen denn?“, fragte Francesca und kletterte aus dem Bett.
In diesem Moment hätte sie Genugtuung oder gar Triumph verspüren können, aber sie fühlte nichts davon. Trotz der schrecklichen Dinge, die Santino gestern zu ihr gesagt hatte, empfand Kate immer noch etwas für ihn. Als Mutter konnte sie seine unbändige Wut sogar gut nachempfinden. Trotzdem sah es nach keiner Einigung zwischen ihnen aus.
Und nur Francesca zuliebe rief sie mit gespielter Munterkeit: „Noch eine Minute. Wir sind gleich so weit.“
Dabei wurde ihr klar, dass es von entscheidender Bedeutung sein würde, wie sie sich heute Morgen begegneten. Kate musste ihre Sache gut machen, nicht nur Francescas wegen, sondern auch wegen Santino. Sie hatte ihm schon genug angetan und durfte ihn auf keinen Fall noch mehr verletzen.
Einen ersten Schritt hin zu einer gütlichen Einigung tat sie, indem sie Francesca an sich zog und fragte: „Na? Was glaubst du wohl, wer da vor der Tür steht?“
Zunächst wischte das Mädchen sich mit dem Ärmel ihres Schlafanzugs übers Gesicht und wusste nicht weiter. Aber dann fiel es ihr plötzlich wieder ein und sie rief freudestrahlend: „Mein Daddy!“
„Richtig geraten, Schätzchen.“ Kate wusste, dass sie ihre Tochter erst einmal loslassen musste. Wenn Francesca es wollte, würde sie zu ihr zurückkommen. Kate musste lernen, Francesca mit Santino zu teilen.
Trotzdem brach es ihr fast das Herz, weil sie mit ansehen musste, wie ihre Tochter überglücklich zur Tür flitzte.
Santino benahm sich vorbildlich. Wie eine richtige Familie saßen sie in ihrer Suite am Frühstückstisch. Nicht einmal der aufmerksamste Beobachter würde Probleme vermuten.
Er hat bestimmt nicht besser geschlafen als ich, überlegte Kate. Sie musste zugeben, dass er sich bestens im Griff hatte. Er behandelte den Zimmerservice freundlich und schaffte es immer wieder, seine Tochter zum Lachen zu bringen.
„Weißt du was, Daddy? Ich bin schon ganz groß. Ich kannnämlich schon ein bisschen reiten“, erzählte Francesca.
„Na, das ist ja toll.“ Nach kurzem Nachdenken fuhr er fort: „Da kommt mir eine Idee. Wir könnten heute in mein Haus auf dem Land fahren. Es liegt etwas außerhalb von Rom …“
„Au fein!“ Francesca klatschte vor Freude in die Hände. „Hast du auch ein Cottage wie Tante Meredith? Können wir da hinfahren, Mummy? Heute? Bitte! Und hast du auch Pferde, Daddy?“ Förmlich sprudelten die Worte aus Francesca wie in einem einzigen Atemzug heraus.
„Ja, zufälligerweise habe ich auch Pferde“, bestätigte er lächelnd.
Doch als er Kate ansah, wurde der Ausdruck seiner Augen sofort wieder kalt. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Verachtung. Kate wusste, dass er sie, wenn überhaupt, nur gezwungenermaßen mitnehmen und wie Luft behandeln würde. Immerhin blieb ihr dadurch Zeit, sich auf die kommenden Veränderungen einzustellen. „Vielleicht sollte ich Caddy fragen, ob sie mich heute entbehren kann … und Meredith könnte ich bitten mitzukommen.“ Kate hoffte, dass sie damit ihre Absichten ausreichend kundgetan hatte. Zumindest fürs Erste würde sie Francesca noch nicht von der Seite weichen.
„Gut“, entgegnete Santino nach einem Moment zermürbenden Schweigens. „Ich werde meine Termine für heute absagen.“
„Nach der nächsten Kurve kann man mein Haus schon sehen.“
Kate schrak auf dem Beifahrersitz des Landrovers zusammen. Während der Fahrt hatte sie ihren Gedanken nachgehangen. Santino hatte mit Francesca und Meredith gescherzt. Um auf die Rückbank zu sehen,
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