JULIA EXTRA BAND 0273
trägst keine Schuld.“
„Ich weiß. Trotzdem lastet es auf meinem Gewissen.“ Es fraß sie auf und machte es ihr unmöglich, irgendjemanden nah an sich heranzulassen. „Kinder sind so machtlos, Daniel.“
Er legte seine Hand auf ihre, und sie genoss den Trost, den ihr diese Berührung spendete.
„Du warst doch selbst noch ein Kind, Liebes, und ebenso machtlos wie das kleine Mädchen.“
„Ich weiß. Deshalb will ich ja jetzt etwas tun. Ich möchte den Kindern einen Weg aus ihrer Not zeigen. Die Vergangenheit kann ich nicht ändern, aber jetzt kann ich helfen.“
Die Wärme seiner Hand auf ihrer, das ruhige Verständnis in seiner Stimme drangen bis tief in Stephanies Herz. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog sie, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Doch dann fehlte ihr der Mut.
„Die Ungerechtigkeiten des Lebens machen mich so wütend.“
„Mich auch.“
„Was glaubst du, warum haben manche Menschen alles im Überfluss und andere nicht einmal das Nötigste?“
Erleichtert erkannte Stephanie, dass Daniel nichts bemerkt hatte.
„Du tust so viel, um etwas zu verändern, Daniel. Schon jahrelang hilfst du anderen. Das bedeutet unheimlich viel.“
„Manchmal fühle ich mich, als wollte ich den Ozean mit einemLöffel ausschöpfen.“
Eine Woge der Zärtlichkeit breitete sich in ihr aus. „Du hast ein gutes Herz.“
„Stephanie, meine Liebe, lass mich dir etwas über deinen Mitbewohner erzählen. Er hat kein Herz.“ Obwohl er diese Worte leicht dahinsagte, wusste Stephanie, dass er es ernst meinte. „Ich bin Bauingenieur, und ich entwerfe Bewässerungsanlagen.“
Sie glaubte ihm kein Wort. Wenn es ihm nur um seinen Job gegangen wäre, würde er längst im Geld schwimmen.
„Und warum hast du dann das Kätzchen gefüttert? Und warum bist du mitten in der Nacht hier runtergekommen, um mir mit dem Geschirrspüler zu helfen? Alles reiner Egoismus?“
„Nein. Wegen des Käsekuchens.“
Bei dieser albernen Antwort mussten sie beide lachen.
„Du hast einen ganzen Krug Schokoladensauce geleert“, bemerkte sie lachend.
„War es das nicht wert?“
Stephanie nahm ihm den Krug ab und fuhr mit dem Finger am Rand entlang, um die letzte Schokolade zu ergattern.
Daniel fasste nach ihrer Hand und leckte ihren Finger ab. Bei seiner Berührung durchfuhr es sie heiß und ihr Atem beschleunigte sich. Für einen Mann ohne Herz benahm er sich wirklich sonderbar.
Sie zog ihre Hand zurück.
„Klau mir nicht meinen Anteil, du Frechdachs.“ Ihre Stimme klang verdächtig heiser.
„In der Liebe, und wenn es um Schokolade geht, ist alles erlaubt.“
„Darüber haben wir ja noch gar nicht geredet.“ Sie schrieb ihren Mut der Atmosphäre und der nächtlichen Stunde zu. Warum auch sollten sie das Thema Liebe ausklammern?
„Liebe?“ Daniel schüttelte den Kopf. „Da halte ich mich lieber an Schokolade.“
Stephanies Herz schlug schneller. „Warst du nie verliebt?“
„Doch. Ein Mal. Aber es hat nicht funktioniert. Ich bin einfach nicht dafür gemacht. Und was ist mit dir? Gibt es irgendwelche Verehrer, die mir an die Gurgel springen möchten?“
Sein lockerer Ton ermutigte sie, ebenfalls bei der Wahrheit zu bleiben. „Auch ich bin nicht dafür gemacht.“
„Wie ich das sehe, bist du makellos. Also bestens geeignet, um jemanden glücklich zu machen.“
Auch wenn sein Kompliment Wunder für ihr Ego wirkte, zeigte es doch, wie wenig er von der echten Stephanie wusste.
„Ich habe einmal geliebt …“ Sie brach ab.
„Und er hat dich verletzt.“
Das war eine Feststellung, keine Frage.
„Ja, auf die schlimmste Weise.“ Brett hatte sie abgewiesen, als er ihre Narben gesehen hatte.
In Daniels blauen Augen sah Stephanie Mitgefühl. Einen Moment dachte sie, er werde sie berühren – und erkannte, wie sehr sie sich genau das jetzt wünschte. Daniel hatte einen Weg an den Barrieren vorbei in ihr Herz gefunden wie noch niemand vor ihm.
„Was hat er getan? Dich betrogen?“
„Nein. Das nicht.“ Stephanie wünschte, sie hätte das Thema nicht angeschnitten. Jetzt wusste sie nicht, wie sie es abwenden sollte, ohne sein Misstrauen zu wecken. Sie waren ihrem Geheimnis gefährlich nahe.
Daniel sah sie entsetzt an. „Sag nicht, er hat dich geschlagen.“
Stephanie biss sich auf die Zunge. Auf keinen Fall durfte sie jetzt überreagieren. Schließlich kannte sie Daniel inzwischen ein wenig und hätte wissen müssen, dass er nicht lockerließ.
„Ich möchte nicht darüber sprechen.“
Im
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