JULIA EXTRA BAND 0274
Plötzlich sah sie wieder verloren und hilflos aus.
„Doch“, erwiderte sie nach einer Weile, „den gibt es.“
„Vielleicht zufällig in erreichbarer Nähe?“, fragte er unmutig. Der Beschützerinstinkt, den diese Frau gegen seinen Willen in ihm weckte, war ihm gar nicht recht.
„Und auch eine Mrs. Hamilton. Meine Eltern“, fügte sie hinzu, als er sie erstaunt ansah. „Wir sind auf dem Weg zu ihnen, und wahrscheinlich werden sie langsam ungeduldig. Mein Vater war krank und darf sich nicht aufregen. Könnte ich bitte Ihr Telefon benutzen, um sie kurz anzurufen?“
Jed runzelte die Stirn. Sie sagte nicht, dass sich ihre Eltern sorgen könnten, nur, dass sie „ungeduldig werden“. Seltsam. Aber das ging ihn schließlich nichts an.
„Gern.“ Er zeigte auf einen kleinen Tisch neben der Tür. „Dort steht es.“
Das Telefon war einer dieser altmodischen Apparate mit einer Wählscheibe. Wie der Rest der Einrichtung hatte es bessere Zeiten gesehen. Das ganze Haus war eher altmodisch und die Zimmer viel zu niedrig. Jed zog eine Grimasse, als er daran dachte, wie oft er in den ersten Wochen mit dem Kopf an die Deckenbalken gestoßen war.
Meg Hamilton brauchte sich deswegen allerdings keine Sorgen zu machen: Gut dreißig Zentimeter lagen zwischen ihr und der Zimmerdecke. Ihre Nervosität musste andere Gründe haben.
„Soll ich mit Scott in die Küche gehen, während Sie telefonieren?“, fragte er und stand auf.
„Danke, das ist nicht nötig.“ Sie lächelte gezwungen. „Ich will nur Bescheid geben, dass sie nicht mit dem Abendessen auf uns warten sollen.“ Sie hob den Hörer ab und wählte.
Jed setzte sich wieder in den Sessel. Diese letzte Bemerkung war höchst aufschlussreich. Er dachte daran, wie seine Mutter reagieren würde, hätte er sich bei einem Schneesturmverspätet. Nicht nur würde sie seinen Vater und seine Brüder losschicken, um nach ihm zu suchen, sie würde die gesamte örtliche Polizei mobilisieren und vermutlich auch noch das FBI. Ob das Abendessen kalt wurde oder nicht, wäre mit Sicherheit ihre geringste Sorge.
„Mutter?“, fragte Meg nervös, als jemand am anderen Ende antwortete. „Ich bin’s. Es tut mir leid, aber …“ Sie schwieg und lauschte auf die Stimme aus dem Hörer. „Ich verstehe. Wie gesagt, es tut mir sehr leid … Morgen … Nein, um wie viel Uhr weiß ich noch nicht … Ja, natürlich rufe ich an, sollten wir zum Mittagessen da sein.“ Es folgte eine längere Pause, bevor sie erwiderte: „Wirklich …?“ Ihre Stimme klang seltsam spröde. „Du hast recht, ich hätte den Zug nehmen sollen, aber … Doch, ganz bestimmt, ich rufe vorher noch einmal an … In Ordnung. Bis morgen.“ Ihre Hand zitterte, als sie den Hörer auflegte.
Nachdenklich betrachtete Jed die schmale Gestalt. Es sah so aus, als sorge sich Mrs. Hamilton mehr um die Essenszeiten als um das Wohlbefinden von Tochter und Enkel.
Er warf einen Blick auf den kleinen Jungen. Aus dem zu schließen, was er von dem Telefonat mitbekommen hatte, war es seiner Großmutter nicht eingefallen, nach ihm zu fragen.
Abrupt setzte er sich auf, als er erkannte, welche Richtung seine Gedanken einschlugen. Das kam nicht infrage! Für diese junge Frau und ihren Sohn war in seinem Leben kein Platz. Er würde sie morgen früh, wenn es nicht anders ging, selbst zu ihren Eltern fahren. Und damit hatte die Sache ein Ende.
Unter gar keinen Umständen würde er sich auf etwas anderes einlassen.
2. KAPITEL
Den Rücken zum Raum, verharrte Meg mehrere Sekunden lang regungslos vor dem Telefon. Bevor sie sich wieder Jed Cole zuwenden konnte, musste sie sich erst sammeln. Ihre Hände waren feucht, doch innerlich war ihr eiskalt.
Keine ungewöhnliche Reaktion nach einem Gespräch mitihrer Mutter – wie schaffte sie das bloß? Vermutlich lag es eher an ihrem Ton als an dem, was sie sagte, dass Meg sich spätestens nach fünf Minuten jedes Mal wie ein dummes kleines Mädchen vorkam und nicht wie eine erwachsene Frau.
Doch diesmal gab es noch einen Grund für ihre Beklommenheit: Sonia würde über Weihnachten ebenfalls zu Hause sein – war bereits zu Hause, da sie und ihr Mann Jeremy, wie ihre Mutter ihr eben mitgeteilt hatte, vernünftigerweise mit dem Zug angereist waren. Jeremy hatte sich beim Golfspielen den Knöchel verstaucht, und somit fiel in diesem Jahr der übliche Skiurlaub ins Wasser.
Ihre Schwester Sonia, die Modellkleider trug, Karriere gemacht und den richtigen Mann geheiratet hatte. Alles Dinge,
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