JULIA EXTRA BAND 0274
erwiderte Meg auf seine Bemerkung. „Meiner Meinung nach war es eher eine Beleidigung.“
„Wie bitte?“, protestierte er mit gespielter Entrüstung. „Ich bilde mir ein, dass mich die Eltern erwachsener Töchter im Allgemeinen durchaus akzeptabel finden.“
„Dir hat sie auch nicht gegolten, sondern mir – wegen Scott.“ Meg seufzte und ließ sich wieder auf das Kopfkissen fallen.“
„Unsinn. Niemand käme auf so eine Idee, er ist so ein liebes Kerlchen. Dein Vater mag ihn unheimlich gern.“
„Das stimmt.“ Ein glückliches Lächeln spielte um ihre Lippen.
„Siehst du seinen Vater eigentlich ab und zu?“, fragte er neugierig.
„Wen?“
„Scotts Vater! Wen sonst?“, entgegnete er ungeduldig und lauter als beabsichtigt, dann dämpfte er wieder die Stimme. „Besucht ihr ihn manchmal oder er euch?“
„Natürlich nicht!“, erwiderte sie heftig. „Wie kommst du darauf?“
„Das wäre doch ganz normal, oder?“
„Nicht in diesem Fall.“ Sie rückte etwas von ihm ab. „Warum interessiert dich das überhaupt? Man könnte glauben, du bist auf der Suche nach Stoff für deinen nächsten Roman.“
Er schnitt eine Grimasse. Warum musste sie ihn jetzt daran erinnern? „Schön wär’s!“, murrte er.
„Was willst du damit sagen?“
„Dass es vielleicht keinen geben wird.“ Rastlos erhob er sich und schob die Hände in die Taschen. „Mein Verleger, die Leser … alle warten auf das nächste Buch, von dem ich bisher nicht ein einziges Kapitel geschrieben habe. Und vielleicht auch nie schreiben werde“, fügte er trübsinnig hinzu und sprach damit zum ersten Mal laut aus, was er am meisten befürchtete: Was, wenn die Quelle versiegt war? Wenn er nicht mehr schreiben konnte?
„Das Rätsel“ war sein siebtes Buch. Auch die ersten sechs hatten es auf die Bestsellerlisten geschafft, aber keines war so erfolgreich gewesen wie das letzte. Jeder rechnete nun mit einem ähnlich großen Wurf, und das machte alles nur noch schwerer.
Ein zweites „Rätsel“ konnte er nicht schreiben, seine Leser wollten etwas Neues, aber ebenso Spannendes. Und natürlich durfte er die Erwartungen seiner Fans nicht enttäuschen.
Doch das war leichter gesagt als getan. Die Schreibblockade war mittlerweile zum Dauerzustand geworden, und Jed hatte gehofft, sie durch einen Tapetenwechsel überwinden zu können. Als sein Verleger ihm vor zwei Monaten sein Ferienhaus in England anbot, um dort ungestört an dem neuen Buch zu arbeiten, war er der Einladung gefolgt, und seitdem lebte er völlig zurückgezogen in dem Cottage.
Geholfen hatte es nicht – im Gegenteil: Seine Unfähigkeit, etwas zu Papier zu bringen, frustrierte ihn von Tag zu Tag mehr.
Aber heute, erkannte er plötzlich, hatte er sich nicht ein einziges Mal mit diesen Sorgen beschäftigt, weil er nur an Meg, die Hamiltons und deren Probleme dachte.
Sie setzte sich auf, trat zu ihm und sah ihn mitfühlend an. „Kannst du nicht …“ Sie verstummte und runzelte die Stirn, als jemand anklopfte. Im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet.
„Oh!“ Verwirrt blieb Sonia an der Schwelle stehen. „Ich bitte um Entschuldigung.“ Abwägend betrachtete sie die beiden, dann huschte ein vielsagendes Lächeln über ihr Gesicht. „Ich wollte nur kurz mit dir sprechen, Meg, aber das kann ich auch später tun.“
So ähnlich und gleichzeitig so grundverschieden, ging es Jed durch den Kopf.
Meg besaß weder den Schliff noch das Auftreten ihrer Schwester. Theoretisch war Sonia die Attraktivere – aber nicht in seinen Augen.
Anscheinend konnte sie Gedanken lesen. Erstaunen und gleich darauf so etwas wie Neid blitzten in ihren Gesichtszügen auf, als sie aus schmalen Augen zu ihrer Schwester hinübersah. Unwillkürlich legte Jed einen Arm um Megs Schultern. „Ich glaube, das wäre besser“, sagte er ruhig, aber bestimmt. „Wir wollen doch nicht, das Scott aufwacht, oder?“
Sonia warf einen Blick auf das schlafende Kind. „Nein“, sagte sie ausdruckslos, „das wollen wir nicht.“
Jed spürte die Spannung zwischen den Zwillingen ganz deutlich. Schon den ganzen Nachmittag hatte er das Gefühl gehabt, dass die Freundlichkeit, mit der sie sich gegenseitig behandelten, nur gespielt war. Eine höfliche Fassade, hinter der sie etwas verbargen.
Was war mit den Frauen dieser Familie nur los? Er selbst hatte keine Schwestern, und seine Mutter war die unkomplizierteste Seele auf der Welt. Diese unterschwellige Feindschaft, die er zwischen Lydia, Meg und Sonia
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