JULIA EXTRA BAND 0274
spürte, war für ihn völlig neu. Er wurde den Eindruck nicht los, dass, wenn auch nur eine ein falsches Wort verlauten ließ, die mühsam gewahrte Haltung wie ein Kartenhaus zusammenbrechen würde.
Die beiden sahen sich immer noch schweigend an. Keine war bereit nachzugeben. Nun, dann würde er diesem eigenartigen Kampf ein Ende bereiten.
„Wir sehen uns dann später, Sonia“, sagte er freundlich.
Den Bruchteil einer Sekunde funkelte sie ihn zornig an; dann entspannte sich ihre Miene, und sie nickte. „Bis später“, erwiderte sie und verließ mit einem kühlen Lächeln das Zimmer.
Meg entzog sich Jeds Umarmung, trat ans Fenster und schaute hinaus. Er bezweifelte, dass sie etwas von der winterlichen Schönheit des Gartens wahrnahm. In den schwarzen Jeans und dem roten Pullover, über den das glatte Haar fast bis zur Taille hinabfiel, sah sie wie ein verlorenes kleines Mädchen aus, viel zu jung, um die Mutter eines dreijährigen Jungen zu sein.
„Was geht hier vor?“, fragte er harscher als beabsichtigt. Er konnte es nicht ändern – je mehr er sich bemühte zu begreifen, umso unverständlicher fand er die ganze Situation.
Sie antwortete nicht gleich. Dann straffte sie die Schultern und drehte sich um. „Nichts“, sagte sie leise. „Nichts, was wichtig ist.“
Frustriert ballte er die Fäuste. Wenn es nicht wichtig war, warum glitzerten dann Tränen in ihren Augen?
„Warum bist du hergekommen?“, fragte er schroff. „Weshalb tust du dir das an? Und nicht nur dir, sondern auch Scott?“
Es war unfair von ihm, den Jungen, den sie so offensichtlich liebte, mit hineinzuziehen. Die abweisende Haltung seiner Großmutter und seiner Tante schien ihm nichts auszumachen, und sein Großvater hätte nicht liebevoller zu ihm sein können. Aber darum ging es nicht. Niemand – Scott am allerwenigsten – war damit gedient, wenn Meg sich in dieser unmöglichen Situation aufrieb und möglicherweise noch krank wurde.
Und mit seinen Fragen machte er es ihr nicht leichter. Vielleicht fand sie das alles ganz normal – was wusste er schon von ihr?
„Hol’s doch der Teufel!“ Frustriert warf er die Arme in die Luft. „Es ist schließlich deine Problemfamilie, du weißt am besten, wie du mit ihr zurechtkommst.“ Mit ein paar schnellen Schritten verließ er das Zimmer und schloss die Verbindungstür hinter sich. Er hatte genug mit sich selbst zu tun.
Meg Hamilton musste zusehen, wie sie mit ihrem Dilemma fertig wurde.
Sobald das Wetter umschlug und die Straßen wieder befahrbar waren, würde er sich auf den Weg machen. Je eher, desto besser.
6. KAPITEL
Jed täuschte sich – und wie!
Meg hatte keine Ahnung, wie sie mit ihrer „Problemfamilie“ zurechtkommen sollte.
Ihre Eltern sprachen kaum noch miteinander.
Sie waren ein Ehepaar, das seine gegenseitigen Gefühle noch nie zur Schau gestellt hatte, aber die Spannung, die Meg zwischen ihnen wahrnahm, hatte es früher bestimmt nicht gegeben. Lag es daran, dass ihr Vater nicht mehr zu allem Ja und Amen sagte? Heute Nachmittag zum Beispiel, als ihre Mutter ihn mehrmals zu überreden versuchte, sich hinzulegen und auszuruhen, hatte er sie einfach ignoriert und mit Scott weitergespielt.
Die Kluft zwischen Sonia und ihr war – das hoffte sie zumindest – weniger offensichtlich, aber Jed hatte sie dennoch bemerkt. Er konnte nicht ahnen, dass er selbst sie ungewollt vertiefte.
Sonia wusste, dass Meg seit Scotts Geburt allein lebte. Sie ging nicht aus, sie hatte keinen festen Freund, und sie war fast vier Jahre lang nicht mehr zu Hause gewesen. Jetzt war sie plötzlich hier – und noch dazu mit einem Mann wie Jerrod Cole, der obendrein behauptete, sie seien eng befreundet. Was natürlich nicht stimmte, aber das wusste niemand. Und so musste Sonia sich nun fragen, welche Rolle er im Leben ihrer Schwester spielte und was sie ihm anvertraut hatte.
Wie wenig sie mich kennt, dachte Meg. Als ob ich das, was ich habe, jemals aufs Spiel setzen würde!
Unwillig sah sie auf, als schon wieder jemand anklopfte. Seit wann war sie in diesem Haus so gefragt?Vermutlich kamdiesmal ihre Mutter, auf deren Besuch sie nach dem frostigen Empfang allerdings gern verzichten würde.
Sie lächelte erleichtert, als sie die Tür aufmachte und ihren Vater erblickte. Über dem Arm trug er ein weißes Hemd und eine Krawatte. Für Jed, dachte sie. Er hat vermutlich nichts Passendes dabei, um sich nach Sitte des Hauses für den Abend fein zu machen.
„Sein Zimmer ist nebenan,
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