JULIA EXTRA BAND 0274
legerer Kleidung gesehen, aber dabei noch nie so aufgewühlt. Sie wusste, dass Aggression eine Energie war, die sich leicht andere Kanäle zur Entladung suchte. Wie unpassend, dass sie gerade jetzt hier war, und wie unangenehm, dass sie heute so auf ihn ansprach.
„Seit wann lässt du dich von meinem Jammern erweichen?“
„Habe ich etwas von Jammern gesagt?“
„Nein, aber das meintest du. Ich komme schon zurecht.“
„Sieh es so: Ich bin der Boss, und du musst essen. Schließlich bin ich kein herzloser Sklaventreiber.“
„Und das willst du damit beweisen, dass ich wohlgenährt bin, sodass du mich bis zum letzten Tropfen ausbluten lassen kannst?“
Jack hob eine Augenbraue. „Seit wann hast du einen Hang zum Dramatischen?“
„Den hatte ich schon immer.“
Doch erst der Blick auf Jacks andere Seite hatte ihn entfesselt. Maddie kannte seine Geschäftssituation und die steile Karriere von ganz unten nach ganz oben. Aber sie hatte nie bemerkt, wie wenig sie eigentlich wirklich von ihm wusste. Manchmal hatte sie ihm etwas aus ihrem Privatleben erzählt, andersherum nie, abgesehen davon, welche Frau gerade an seiner Seite lebte. Allerdings endeten diese Beziehungen gewöhnlich sehr rasch, und Maddie musste tatsächlich oft abgelegte Geliebte trösten. Nach ihren eigenen Erfahrungen mit Männern wie ihm hatte sie den Vorsatz getroffen, sich von ihnen fernzuhalten.
Dieser Mann hier sah allerdings nicht aus, als würde er ein Nein akzeptieren. Wenn er es sich jemals in den Kopf setzen sollte, mehr von ihr zu wollen als ein Abendessen, dann hätte sie ein Problem. Noch nie war sie dankbarer gewesen, nicht sein Typ zu sein.
„Gut, Jack. Essen wir.“ Maddie setzte sich und hob den Messingdeckel von ihrem Teller. „Weihnachtsessen“, bemerkte sie.
Beim Essen merkte sie, wie hungrig sie war und wie köstlich das Essen schmeckte. „Wer hätte gedacht, dass Hotelessen so lecker sein kann?“
„Bei einem Fünfsternehotel kann man das erwarten, deshalb kommt man ja her.“
„Wenn man es sich leisten kann.“
Eine Zeit lang aßen sie schweigend, dann machte Maddie den Fehler, Jack anzusehen. Der düstere Ausdruck auf seinem Gesicht hatte sich etwas gelöst, und Maddie wunderte sich wieder, wie wenig sie ihn eigentlich kannte.
„Sprechen wir über deine Familie“, schlug sie vor.
„Nein.“
Langsam zog sie die Gabel durch den heißen Kartoffelbrei. Jack sah aus, als müsste er dringend Dampf ablassen. Und in diesem Fall würde sie kein Nein akzeptieren. „Ich dachte, du willst mir von deinem Vater erzählen.“
Sein Blick verdunkelte sich. „Dachtest du?“
„Du hast mir nie erzählt, dass du Eltern hast.“
„Jeder hat Eltern. Allein diese Aussage ist eine Beleidigung für deine Intelligenz.“
Bei seinem freudlosen Lächeln erschauerte sie. „Sind deine Eltern geschieden? Wo lebt deine Mutter?“
„In Dublin.“ Jack nahm einen Bissen und sah Maddie beim Kauen unverwandt an.
„Wirst du sie besuchen?“
„Wenn ich die Gelegenheit dazu habe.“
Maddie nippte beherzt am Wein. „Ich meine, während wir hier sind.“
„Wir sind hier nicht in Irland. London liegt in England.“
„Danke für die Geografiestunde.“ Sie wusste, dass er ihr absichtlich auswich. „Verdammt, Jack. Wir sind Tausende von Kilometern hierher gereist. Nach Irland zu fahren wäre wie ein kleiner Trip von New York nach New Jersey.“
„Ich werde darüber nachdenken.“
Normalerweise traf Jack seine Entscheidungen in Sekundenbruchteilen. Über Details nachzudenken war ihre Aufgabe. Maddie wusste genau, dass er überhaupt nicht nachdenken, sondern einfach das Thema wechseln wollte.
„Ich mag Emma.“ Genussvoll leerte sie ihr Glas. „Sie ist nett.“
„Ich will nicht über meine Familie sprechen.“
Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Normalerweise war er offen und ehrlich, manchmal zu ehrlich. Zumindest was seine Frauen anging, erzählte er ihr oft mehr, als sie wissen wollte. Jetzt aber verschloss er sich vor ihr. Warum?
Und wie er sie ansah … Es war nicht das erste Mal, dass sie zusammen aßen, aber so war es noch nie gewesen. Auch wenn sie zu zweit im Büro gewesen waren, hatte es sich nie so intim und privat angefühlt. Und noch nie hatte seine Gegenwart ihr Denkvermögen beeinträchtigt. Seit dem College hatte niemand mehr eine solche Wirkung auf sie gehabt wie Jack heute.
„Dann erzähl mir von Max.“
In Jacks Blick flackerte es auf. „Was ist mit ihm?“
„Ich finde, er ist
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