JULIA EXTRA Band 0281
zu sagen. Wir beide sind klug genug, um zu wissen, wann wir uns geschlagen geben müssen.“
Ja, das sind die Tatsachen, dachte Maggie. Nichts würde zwischen ihr und Tom passieren. Wie konnte er das bloß so ungerührt hinnehmen? Ihr war es nicht egal.
„Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang?“, schlug er vor.
„Ja, warum nicht?“ Sie gab sich bewusst gleichmütig.
Tom wies auf den Pier von Sorrento vor ihnen, über dem die Möwen laut kreischend kreisten und von dem gerade die letzte Fähre nach Queenscliff auf der anderen Seite der großen Bucht abgelegt hatte.
Da ihre Sohlen auf den Planken rutschten, zog Maggie kurzerhand die Schuhe aus und ging barfuß weiter. Das raue Holz fühlte sich angenehm an.
Schweigend schlenderten sie bis ans Ende des Piers. Noch vor einer Woche wäre Maggie zu der Seite gegangen, von der aus sie die Lichter der Stadt hätte schimmern sehen können, aber nun folgte sie Toms Beispiel und blickte zu den Klippen, auf denen sich die Häuser von Portsea erhoben, und zum Strand darunter mit den bunten Holzhäuschen.
„Dort ist Belvedere.“ Tom zeigte nach rechts.
Sie entdeckte ihr Haus hinter dem immer noch dichten Gestrüpp und ließ den Blick zum Fuß der Klippe gleiten. „Da ist ein Strand!“, rief sie plötzlich aufgeregt.
Es war nur ein schmaler Streifen weißen Sandes, aber sie war damit zufrieden. Er erfüllte sie sogar mit Besitzerstolz!
„Kannst du dein Haus von hier aus sehen?“, fragte sie Tom.
„Es ist irgendwo da drüben.“ Er wies mit dem Kinn zu den Klippen.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, wo und wie er lebte. Und mit wem …
„Wo genau?“, fragte sie, aber er antwortete nicht. „Nun sag schon, Tom! Du kennst mein Haus in- und auswendig, aber ich weiß nichts über dein Zuhause. Du könntest genauso gut in einem Wohnwagen am Strand wie in einem Traumhaus auf den Klippen wohnen, das in jeder Architekturzeitschrift abgebildet ist.“
„Ja, das könnte ich“, stimmte er zu, und seine Lippen zuckten.
„Und du könntest verheiratet sein und zehn Kinder haben!“
„Ich bin nicht verheiratet.“ Er betonte das Wort „ich“.
„Okay, lass es.“ Sie wandte ihm den Rücken zu. „Du brauchst mir nichts über dich zu erzählen.“
Und doch hätte sie gern so vieles über ihn gewusst: War er vielleicht verheiratet gewesen und jetzt geschieden? Hatte er eine Freundin? Familie? Er hatte nicht abgestritten, Kinder zu haben …
„Maggie!“, sagte er eindringlich.
„Was ist?“
„Wir gehen einfach nur spazieren“, erinnerte er sie und lächelte verständnisvoll. „Entspann dich.“
Bei seinem Lächeln wurde ihr seltsam zumute. „Na gut“, sagte sie leise und atmete tief durch. Dann stützte sie die Arme auf das Geländer des Piers und genoss die Aussicht.
Der Abendhimmel war von einem dunklen Blau, mit schmalen, leuchtend orange schimmernden Wolken, und er wurde vom ruhigen Wasser der Bucht gespiegelt. Die Baumgruppen auf den Klippen setzten sich dunkelgrün vor dem Hintergrund ab.
Maggie überlegte, welche Farben sie mischen müsste, um genau diese Schattierung hinzubekommen, und zufällig blickte sie auf Toms kräftige Hände neben ihren auf dem Geländer. Als sie daran dachte, wie er ihr gestern zärtlich eine Strähne hinters Ohr gestrichen hatte, erschauerte sie vor Verlangen.
„Ist dir kalt?“, erkundigte er sich.
„Nein, alles bestens.“
Trotzdem nahm er ihre Hände in seine und rieb sie, damit sie warm wurden. Sie fand ihre Hände groß für eine Frau, aber in seinen noch größeren kamen sie ihr beinahe zierlich vor. Und es tat gut, dass sich jemand so um sie kümmerte.
Es war das erste Mal, dass sie sich länger berührten. Sie fragte sich, wie sie ihn derart begehren konnte, wenn sie sich eigentlich noch nie berührt hatten. Begehrte sie ihn überhaupt? Oder war sie nach den langen einsamen Monaten nur ausgehungert nach Zärtlichkeit, nach Berührungen?
Jedenfalls war Tom bei ihr, und sie war nicht allein mit ihren verwirrenden Gefühlen.
Ach, Tom!, dachte sie und seufzte im Stillen, als sein vertrauter Duft ihr in die Nase stieg. Sie wusste mit ihren neunundzwanzig Jahren – und nach einer gescheiterten Ehe –, dass sie sich auf ihren Instinkt bezüglich Männern nicht verlassen konnte. Wenn sie wieder Aufmerksamkeit mit Zuneigung verwechselte, würde sie am Ende verletzt werden.
Plötzlich lachte Tom leise. „Du bist nicht wirklich entspannt, oder?“
„Nein. Aber ich gebe mir
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