JULIA EXTRA Band 0281
zugesagt hatte, sondern weil er meinte, versagt zu haben.
Und wer garantierte ihr, dass er nicht wieder flüchten würde?
Rasch trat sie einen Schritt zurück und blickte auf ihre Armbanduhr. „Sieh mal, wie spät es schon ist“, rief sie, scheinbar überrascht. „Tut mir leid, dass ich dich so lange aufgehalten habe. Du willst jetzt bestimmt nach Hause.“
Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Macht es dir nichts aus, allein zu bleiben?“
„Jetzt nicht mehr.“ Dankbar lächelte sie ihn an. „Ich sehe dich morgen. Bis dann.“
„Gute Nacht.“ Er winkte kurz und eilte nach draußen zu seinem Wagen.
Ja, sie würde ihn morgen sehen und übermorgen auch noch, aber dann? Sie wusste es nicht. Aber wenigstens wusste sie nun, dass sie neues Selbstvertrauen gewonnen hatte und dass sie stark genug war, es auch allein zu schaffen.
Maggie warf noch einen letzten Blick auf Big Blue, auf das versteckte Selbstporträt in Blau. Dann nahm sie es von der Staffelei und stellte es beiseite.
Es war Zeit, ein neues Werk zu beginnen.
8. KAPITEL
Am Dienstag war es schon mittags sommerlich warm. Tom taten der Rücken und die Hände weh, außerdem hätte er sonst etwas für eine schöne lange Dusche gegeben, doch die musste warten.
Vorher hatte er noch eine dringende Aufgabe zu erledigen.
Als er Maggie am Abend zuvor hatte weinen sehen, war sein Drang zu helfen übermächtig geworden. Deshalb war er in aller Frühe nach Belvedere gekommen, bevor Maggie aufgestanden war, und hatte sechs Stunden ununterbrochen gearbeitet.
Hoffentlich war das Resultat die Mühe wert! Aber es war das Mindeste, was er für Maggie tun konnte.
Er ging die Hintertreppe hinauf, blieb aber an der Tür stehen, da er keinen Schmutz ins Haus tragen wollte. „Maggie?“, rief er.
„Ja?“, ertönte es drinnen.
„Fertig zum Mittagessen?“
„Gleich. Gib mir nur noch eine Minute, Tom.“
Gut, da brauchte er sie nicht die Treppe hinunterzutragen, was er sofort getan hätte, falls sie wieder nicht mit ihm hätte essen wollen. Er wusste nicht, ob er jetzt erleichtert oder enttäuscht war.
„Du warst heute so still da draußen!“, rief Maggie.
Da es ihm seltsam vorkam, ein Gespräch zu führen, ohne sein Gegenüber zu sehen, putzte er sorgfältig die Schuhe ab und ging ins Wohnzimmer.
Dort erwarteten ihn zwei Überraschungen. Big Blue stand nicht mehr auf der Staffelei, stattdessen war dort eine Leinwand, bedeckt mit dunklem Laubgrün und strahlendem Orange.
Und vor der Staffelei stand Maggie und trug statt der üblichen langen Hose eine sehr kurze Short zu einem hellen T-Shirt. Ihre Beine waren einfach hinreißend: lang, schlank und wohlgeformt.
„Hallo, Tom“, begrüßte sie ihn und wischte die Hände an einem Lappen ab.
Mühsam ließ er den Blick zu ihren Augen gleiten. „Wie geht’s?“
„Ich fühle mich prima. Ehrlich!“
„Ich wäre ja schon früher gekommen, um nach dir zu sehen, aber ich wollte heute so viel wie möglich schaffen“, erklärte er.
Sie lächelte so, als würde sie ihm nicht glauben. „Schon gut. Ich hab auch nicht erwartet, dass du mir stundenlang die Wange tätschelst und mich mit Mitleid überschüttest, im Gegenteil. Dazu gibt’s jetzt auch keinen Grund mehr, mir geht’s nämlich wirklich gut.“
Er nickte und blickte sie wieder eindringlich an. Sie war hinreißend schön, vor allem, da sie jetzt selbstsicherer wirkte als bisher. Und viel entspannter.
„Tom, ist was?“, fragte sie schließlich, als er nichts sagte.
„Was? Ach so. Entschuldige, aber ich bin wie geblendet vom Anblick deiner Beine.“
Spöttisch verzog Maggie die Lippen. „Es ist, wie dir vielleicht aufgefallen ist, ein sehr heißer Tag. Und wenn du da draußen ohne Hemd herumlaufen darfst, kann ich auch in einer kurzen Hose arbeiten.“
Er hielt beschwichtigend die Hände hoch. „Schon gut, ich beklage mich ja gar nicht. Im Gegenteil. Du hast mich also bei der Arbeit beobachtet?“
Sie errötete, als ihr klar wurde, was sie unabsichtlich verraten hatte. „Ich muss doch sichergehen, dass du nicht trödelst und mein gutes Geld vergeudest. Ist sonst noch was? Oder können wir endlich essen?“
„Wir können essen. Und zwar draußen“, schlug er vor.
„Warum das?“ Sie stellte die Pinsel in das Glas mit Terpentin und band den Pferdeschwanz neu zusammen, allerdings kein bisschen ordentlicher als vorher. Aus ihrer Hosentasche lugte das kleine rote Tuch hervor, das sie manchmal benutzte, um sich das Haar aus dem Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher