JULIA EXTRA Band 0281
Jungfräulichkeit geschenkt! Er konnte es immer noch nicht fassen. Es war ein Geschenk, das er weder erwartet noch verdient hatte.
Nachdem Marcos noch eine Weile ungewohnt romantischen Gedanken nachgehangen hatte, wurde er doch unruhig und stand auf, um herauszufinden, wo Tamsin geblieben war. Weder im Bad noch in der Küche oder ihrem Gästezimmer war eine Spur von Tamsin zu entdecken. Marcos durchquerte schließlich die riesige Eingangshalle und rief laut ihren Namen.
Nichts. Plötzlich fühlte er, wie Wut in ihm aufstieg. Gut, sie hatte mit ihm geschlafen … aber nicht versprochen, bei ihm zu bleiben. Nur, wie sollte es ihr gelungen sein zu fliehen?
Laut vor sich hinfluchend stürmte Marcos in sein Zimmer, zog rasch eine Jeans und einen Pullover über und streifte ziellos durch das castillo, obwohl er das untrügliche Gefühl hatte, auf dem Holzweg zu sein. Eine knappe Nachfrage bei der Nachtwache brachte auch nichts Neues, sodass er kurz entschlossen Reyes und alle anderen im Haus weckte. Aber auch ihre methodische Suche führte zu keinem Ergebnis.
Wieder hatte sie ihn ausgetrickst! Marcos konnte es nicht fassen.
Die ganze Zeit über hielt er sich für den großen Verführer, dabei war er nicht mehr als ein Spielball ihrer perfiden Verführungskunst gewesen. Tamsin war nicht einmal davor zurückgeschreckt, ihre Jungfräulichkeit als Waffe einzusetzen, um ihr Ziel zu erreichen.
Wütend stürzte er ins Gästezimmer, um dort möglicherweise einen Hinweis zu finden, doch die kostbare Garderobe, die er extra für sie gekauft hatte, hing unberührt im Schrank, das Bett war tadellos gemacht, und nirgends …
Marcos stutzte verblüfft, als er sein Handy auf dem Tischchen neben dem Fenster liegen sah. Er überprüfte die letzte gewählte Nummer, und seine Gesichtszüge verhärteten sich. Jetzt wusste er auch, was ihn an Tamsin gestern Abend irritiert hatte, als er sie klitschnass und völlig aufgelöst mitten im Zimmer stehend antraf.
Sie hatte nicht versucht zu fliehen, sondern war hinaus in den Regen geklettert, um sein Handy zu bergen, das auf dem Vorsprung unterhalb ihres Fensters gelandet sein musste, nachdem sie es vom Balkon geworfen hatte.
Er hatte sie verloren. Alles hatte er verloren, für eine Nacht voller Leidenschaft. Und Tamsin war noch viel verschlagener und skrupelloser, als er es sich in seinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können …
Aber wie war sie entkommen? Marcos steckte das Handy ein, kehrte in sein Zimmer zurück und zermarterte sich den Kopf. Seinen Männern würde er jederzeit sein Leben anvertrauen, sie waren ihr sicher nicht bei der Flucht behilflich gewesen.
Suchend schaute er sich im Zimmer um, und plötzlich fiel sein Blick wie magisch angezogen auf das Holzpaneel neben dem Kamin. Der alte Tunnel! Aber davon konnte Tamsin nichts gewusst haben … oder doch?
Nelida! Sie musste ihr während der Hausführung davon erzählt haben!
Probehalber drückte er gegen die Vertäfelung, die lautlos zurückwich. Und gleich hinter der Schwelle, unten im Staub, sah er den Schlüssel liegen.
Der lästerliche Fluch, den Marcos ausstieß, war laut genug, um im ganzen castillo gehört zu werden.
„Du bist entlassen!“, grollte er, als Nelida ihm in der Eingangshalle über den Weg lief.
„Es ist besser so, Marcosito“, gab sie unbeeindruckt zurück. „Du brauchst kein Flittchen wie sie in deinem Leben.“ Jetzt sprach die alte Nanny aus ihr. „Such dir eine anständige Frau und heirate sie.“
Wütend und aufgebracht rief Marcos nach seinem Sicherheitschef.
Sofort war Reyes zur Stelle. „ Señor?“
„Hört auf, hier drinnen zu suchen, sie ist geflohen. Stell einen Suchtrupp zusammen, und kämm die Umgebung durch, aber gründlich!“
Bevor der Bodyguard Zeit für eine Antwort fand, war Marcos bereits verschwunden. Er konnte nur hoffen, Tamsin zu finden, ehe Aziz es tat. Tiefrot stieg die Sonne am Horizont auf, während er in seinem roten Ferrari den Berg hinunterraste. An einer Abzweigung bog er links ab und folgte der gewundenen Küstenstraße in Richtung El Puerto de las Estrellas.
Bitte, lass mich sie zuerst finden, flehte er innerlich.
Marcos war inzwischen viel zu angespannt, um noch wütend zu sein. Er hatte nicht mit Tamsin geschlafen und sie in der letzten Nacht in seinen Armen gehalten, um sie jetzt an Aziz zu verlieren.
Er bog um die nächste Kurve, und dann sah er sie. Tamsin huschte wie ein flüchtendes Reh im Schatten der Bäume an der Westseite seines
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