JULIA EXTRA Band 0281
ich ausgerechnet jetzt meinen Anti-Aging-Abdeckstift nicht bei mir habe, dachte sie. Er gehörte zu den erfolgreichsten Produkten von Winter Cosmetics, war aber im Ausland nur schwer erhältlich. Dank Sheldons miserablen Marketingstrategien!
Tamsin seufzte. Wäre sie als Sohn geboren worden, hätte sie ihren Vater vielleicht davon überzeugen können, ihr die Firmenleitung zu überlassen, obwohl Sheldon der Ältere war. Aber dann hätte sie sich wahrscheinlich gar nicht erst für Abdeckstifte interessiert! Auf jeden Fall musste sie nun ohne zurechtkommen.
Das zweite Mal in einem Monat bereitete Tamsin sich als Braut für den glücklichsten Tag ihres Lebens vor, und nicht ein einziges Mal war es auch nur annähernd so wie in ihren Jungmädchenträumen.
Ach, was soll’s … wer braucht schon Liebe?, redete sie sich gut zu. Ich mag Marcos, und er hilft mir, meine Schwester zu retten.
Als sie das Haus verließ, trug Tamsin zu ihrem knapp sitzenden Chanelkostüm einen breitkrempigen schwarzen Strohhut als Schutz gegen die warme Septembersonne. Paparazzi riefen ihren Namen und versuchten, so viele Fotos von ihr zu schießen wie möglich, ehe das Objekt ihrer Sensationslust, von Reyes und zwei weiteren Bodyguards abgeschirmt, in die schwere Limousine mit den getönten Scheiben stieg und ihnen entwischte.
„ Por Dios!“
Tamsin, die selbstvergessen mit leuchtenden Augen und sanft geröteten Wangen vor dem raumhohen Spiegel in Marcos’ Schlafzimmer stand, fuhr erschrocken herum.
Drei Stunden, jede Menge Selbstzweifel und sehnsüchtiges Herzklopfen hatte sie überstehen müssen, ehe sie sich zu einem traumhaften Gebilde aus cremefarbener Spitze mit unzähligen winzigen, aufgestickten Perlen entschloss.
Unter den Beifallsbekundungen der engagierten Verkäuferinnen wagte sie es nicht, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen, aber hier, im Schutz von Marcos’ Penthouse, musste sie ihr Brautkleid noch einmal anprobieren, um dem aufregenden und gleichzeitig beängstigenden Gefühl nachzuspüren, in wenigen Tagen seine Ehefrau zu sein.
Mit geschlossenen Augen schritt sie in Gedanken auf den Altar zu, wo Marcos sie erwartete. In seinen Augen stand die Liebe, die er für sie …
Als sie durch seine dunkle Stimme aus ihrem Tagtraum gerissen wurde, setzte ihr Herz einen Schlag aus.
„Halt! Stopp! Du darfst mich so nicht sehen, das bringt Unglück!“, rief sie in Panik aus und versuchte, ins angrenzende Bad zu flüchten, doch Marcos ließ seine Laptoptasche mit einem Knall zu Boden fallen und war wie ein Blitz an ihrer Seite.
„Tamsin, du treibst mich noch in den Wahnsinn …“, raunte er heiser und küsste durch den hauchdünnen Schleier hindurch ihre Wange, ehe er das zarte Gebilde anhob und zurückstrich. „Hast du überhaupt die leiseste Vorstellung davon, wie sehr ich dich vermisst habe? Und dann komme ich hierher und sehe dich in diesem Kleid …“
Jetzt, da er ihren weichen Mund so dicht vor sich sah, vergaß Marcos alle Beherrschung und eroberte ihn mit einer Wildheit, die Tamsin gleichermaßen erschreckte wie entzückte. Das war es, wovon sie noch vor wenigen Sekunden geträumt hatte.
Wie selbstverständlich legte sie ihre Arme um seinen Hals und erwiderte seinen stürmischen Kuss mit aller Leidenschaft, zu der sie fähig war. Mit einem unartikulierten Laut riss Marcos sie auf seine Arme, trug Tamsin zum Bett hinüber und setzte sie dort ab.
Während er mit hastigen Bewegungen seine Krawatte löste, das Jackett abwarf und den Rest seiner Kleidung folgen ließ, hielt er die ganze Zeit über Blickkontakt und lächelte amüsiert, als Tamsin beim Anblick seiner sichtbaren Lust errötete, aber offensichtlich viel zu fasziniert war, um den Blick abzuwenden. Das weiche Lächeln, das um ihren anbetungswürdigen Mund spielte, und das sanfte Glühen in den wundervollen blauen Augen versetzten ihm einen seltsamen Stich in der Brust.
Und als Marcos auf das Bett zutrat und verlangend die Arme nach ihr ausstreckte, war es ein einziger Gedanke, der Tamsins Denken und Fühlen beherrschte.
Ich liebe ihn …
Ich liebe ihn? Nein, das darf nicht sein! Doch sie konnte es nicht länger leugnen.
Als Marcos sie an sich zog, zitterte sie vor Anstrengung. Nein, sie durfte diese drei Worte nicht sagen, auch wenn sie sich dazu zwingen musste. Sie spürte, wie er mit seinen starken Händen über ihren Rücken strich, fühlte seine warmen Lippen in ihrer Halsbeuge und schloss gequält die Augen.
Ich liebe dich … ich liebe
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