JULIA EXTRA Band 0281
beobachtete sie den Mann, der mit einer so unnachahmlichen Lässigkeit die kleine gepflasterte Straße heraufschlenderte. Einige Frauen, die in einer Gruppe beieinanderstanden, unterbrachen ihr Gespräch, um ihm unverhohlen bewundernd hinterherzustarren. Spätestens da schwand Alexas letzte Hoffnung.
Sein Gang, seine ganze Haltung verriet die Führungspersönlichkeit. Ein Mann, der den ererbten Reichtum durch eigene Erfolge vervielfacht hatte. Groß und breitschultrig, war er mit den kurzen schwarzen Locken und den scharf blickenden dunklen Augen im markanten Gesicht eine eindrucksvolle Erscheinung. Sein selbst für einen Süditaliener auffällig gebräunter Teint sorgte auch in seiner Heimatstadt Neapel dafür, dass seine Abstammung als geheimnisvoll galt. Mutter: eine glamouröse Society-Schönheit; Vater: unbekannt.
Er trug einen maßgeschneiderten grauen Anzug, der seine athletische Figur betonte, und die Frauen, die ihm gebannt nachblickten, schmolzen förmlich dahin. Es wäre fast komisch gewesen, wenn der Anblick Alexa nicht einen schmerzlichen Stich mitten ins Herz versetzt hätte.
Und im nächsten Moment packte sie die Angst. Giovanni da Verrazzano. Ihr Ehemann. Eifersüchtig, besitzergreifend, idealistisch. Giovanni.
Sie flüsterte den Namen, den zu vergessen sie sich so sehr bemüht hatte. Aber wie sollte sie, wenn sie in so vieler Hinsicht noch an ihn gebunden war … gesetzlich, gefühlsmäßig und durch etwas, das ihr das Kostbarste auf der Welt war?
Alexa schluckte. Hatte er sie gesehen? Für den Bruchteil einer Sekunde keimte erneut Hoffnung in ihr auf. Wusste er vielleicht gar nicht, dass sie hier war? Doch noch bevor sie durch das Schaufenster des kleinen Ladens seinem Blick begegnete und Giovanni ansetzte, die Straße zu überqueren, wurde ihr klar, wie dumm dieser Gedanke war.
Natürlich wusste er, dass er sie hier finden würde. Warum sonst sollte dieser hartherzige Millionär in einer ruhigen Seitenstraße einer englischen Kleinstadt auftauchen, anstatt, wie Alexa es von früher kannte, in seinem schnittigen Sportcabrio durch die heißen, lauten Straßen von Neapel zu hetzen, wo es von allen Seiten bewundernd „Gio!“ tönte und die Mädchen ihn mit kokettem Lächeln anschwärmten?
Was also wusste er? Hatte er … es herausgefunden? Oh, bitte nicht! Mit zittrigen Händen faltete Alexa das zarte Seiden-Shirt, das sie gerade hielt, zusammen und legte es ins Regal zurück, um es nicht zu zerknittern. Welche gut betuchte Kundin würde es dann noch kaufen? Alexa versuchte, sich zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn, sich mit Spekulationen verrückt zu machen. Angesichts dessen, was für sie auf dem Spiel stand, war es am besten, sie bewahrte einen kühlen Kopf und hörte sich erst einmal an, was Giovanni von ihr wollte.
Als die Ladenglocke ertönte und er eintrat, zwang sich Alexa, ihm höflich lächelnd entgegenzublicken. „Giovanni!“ Trotz all ihrer Bemühungen lag ein leichtes Zittern in ihrer Stimme, und der forschende Blick seiner dunklen Augen verriet, dass es ihm nicht entgangen war. „Das ist eine Überraschung.“
„Was für eine Untertreibung, cara mia!“, erwiderte er spöttisch. „Hast du wirklich erwartet, mich nie wiederzusehen?“
„Ehrlich gesagt habe ich kaum darüber nachgedacht.“
„Das glaube ich dir nicht“, widersprach er sanft, wobei sein überheblicher Blick besagte: Nicht an mich gedacht? Eher würde die Erde aufhören, sich zu drehen! „Mich hat noch keine der Frauen, die ich kennengelernt habe, je vergessen. Und in mancher Hinsicht kennst du mich besser als alle anderen, denn du bist die Einzige, die ich geheiratet habe.“
Doch Giovanni wusste sehr gut, dass nicht nur das gesetzliche Band der Ehe ihre Beziehung zu etwas Besonderem machte – ein Band, das sich im Übrigen als wesentlich stärker und hartnäckiger erwiesen hatte, als er erwartet hätte. Vor allem aber hatte er Alexa gegenüber seinen Schutzpanzer geöffnet, hinter dem er üblicherweise seine Gefühle verbarg, und ihr einen Blick auf den verletzlichen Giovanni erlaubt. Woraufhin sie wiederum ihm eine Lektion erteilt hatte, die ihm von vornherein hätte klar sein müssen: Traue niemals einer Frau.
Alexas Lächeln wirkte angespannt. „Möchtest du mit mir reden?“
„Was glaubst du denn? Dass ich gekommen bin, um hier in dieser Boutique etwas für eine meiner Geliebten einzukaufen?“, lautete die arrogante Antwort.
Er konnte ja nicht ahnen, was für verrückte Gedanken in ihrem
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