JULIA EXTRA Band 0287
seinen Augen sah.
Keine Überraschung, wie sie ob dieser grausamen Fügung des Schicksals eigentlich vermutet hätte. Stattdessen eisige Kälte. Und Verachtung.
Sofort erkannte sie, dass er von ihrer Anwesenheit gewusst hatte. Es blieb nur die Frage, woher? Sie hatte ihm nicht mal gesagt, wo sie arbeitete.
Irgendwie brachte sie ein höfliches Lächeln zustande, während sie immer noch versuchte, eine Antwort auf ihre Fragen zu finden.
„Hallo, Frank“, grüßte sie und achtete darauf, dass sie nicht zu dem Mann an seiner Seite hinüberschaute.
„Mr. McKee hat nach dir gesucht“, entgegnete Frank leicht irritiert.
„Wirklich? Wo ist er?“
„Er musste nach Hause. Sagte, er fühle einen Migräneschub kommen.“
„Wie schade“, erwiderte Jordan. Warum nur hatte sie keinen Migräneschub? Warum hatte sie nicht einfach einen solchen vorgetäuscht? Dann hätte sie dieser extrem peinlichen Situation nämlich entgehen können.
Allerdings war es nicht ihre Art, vor unangenehmen Dingen davonzurennen. Normalerweise ging sie jedes Problem offensiv an.
Mit einer ungeheuren Willensanstrengung richtete sie ihren Blick schließlich auf Gino.
„Und wen haben wir hier, Frank?“, fragte sie kühl. Zu ihrer Befriedigung sah sie, wie Gino sich versteifte.
Nie im Leben würde sie ihm die Gelegenheit geben, sie vor ihrem Chef in Verlegenheit zu bringen. So wie sie ihn kannte, hätte er das nämlich durchaus versucht.
„Ein von uns hochgeschätzter neuer Mandant“, antwortete Frank aufgeblasen. „Mr. Gino Bortelli, Geschäftsführer von Bortelli Constructions, einem der größten Bauunternehmen in Melbourne. Henry hat ihm vergangene Woche bei einer Vertragsverhandlung geholfen.“
Ah, also deshalb war er hier. Jordan fragte sich, ob jemand ihren Namen fallen gelassen hatte, während er den Vertrag unterschrieb.
Nein, das konnte nicht sein. Gino hatte vergangenen Freitag ja nicht mal gewusst, dass sie Anwältin geworden war, ganz zu schweigen davon, wo sie arbeitete.
„Hoffentlich wird Gino Stedley & Parkinson die Ehre erweisen, all seine geschäftlichen Transaktionen in Sydney zu übernehmen“, fügte Frank hinzu.
Jordan war daran gewöhnt, dass ihr Chef sich reichen Mandanten besonders anbiederte, doch diesmal schien er sich selbst zu übertrumpfen.
„Unglücklicherweise hat Henry sich in letzter Minute krankgemeldet“, fuhr er fort, ehe Jordan – oder Gino – ein einziges Wort anbringen konnte. „Deshalb habe ich Mr. Bortelli allen vorgestellt. Jordan ist eine unserer besten Zivilrechtspezialistinnen, Gino. In den wenigen Jahren, die sie bei uns ist, hat sie sich einen hervorragenden Ruf erarbeitet.“
„Hören Sie auf, mir zu schmeicheln, Frank. Wie geht es Ihnen, Mr. Bortelli?“, fragte Jordan, streckte ihm jedoch nicht die Hand zur Begrüßung hin.
„Sehr gut, danke“, entgegnete Gino mit kühlem Kopfnicken.
„Ich überlasse Sie Jordans Obhut. Wenn ich mich recht entsinne, dann hat Kerry Sie nebeneinanderplatziert. Aber kommen Sie bloß nicht auf Ideen, Gino. Unsere Jordan hat sich erst vor Kurzem verlobt. Mit Chad Stedley“, warf er über die Schulter. „Dem Sohn unseres Seniorpartners.“
„Herzlichen Glückwunsch“, gratulierte Gino höflich, doch seine Augen blickten so voller Verachtung, dass es Jordan kalt den Rücken hinunterlief.
Ihre Wangen waren brennend rot, und sie verspürte eine ungeheure Erleichterung, dass Frank sich bereits abgewandt hatte, um den anderen Gästen ihre Plätze zu zeigen.
„Willst du diese Komödie den ganzen Abend aufrechterhalten, Jordan?“, fragte Gino bissig. „So als wären wir Fremde?“
Jordan bedachte ihn ihrerseits mit einem langen und kalten Blick. „Alle anderen haben bereits ihre Plätze eingenommen, Mr. Bortelli. Ich schlage vor, wir tun dasselbe. Hier entlang …“
Er folgte ihr zum entgegengesetzten Ende des Tisches, wo sie auf seinen Platz deutete, direkt neben ihr. Glücklicherweise änderte niemand die Sitzordnung, sodass ihre Unterhaltung kein einsames Tête-à-Tête würde.
Sobald sie Platz genommen hatten, wurde auch schon die Vorspeise serviert, und Jordan entschloss sich, keine weiteren Spielchen zu spielen, sondern sogleich auf den Punkt zu kommen.
„Dass du heute hier bist, ist kein Zufall, nehme ich an?“
„Dass ich Stedley & Parkinson als meine rechtlichen Vertreter ausgewählt habe, ist ein reiner Zufall.“
„Aber du wusstest, dass ich heute Abend hier sein würde?“
„Ja.“
Jordans Frustration wurde
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