Julia Extra Band 0292
konnte. Er spürte, wie Simone leicht erschauerte, dann senkte sie den Blick.
„Warum glauben Sie mir nicht?“, wollte Ryan wissen. „Hätten Sie denn mein Tagebuch gelesen, wenn es Ihnen zufällig in die Hände geraten wäre?“
Nun schaute sie doch wieder auf. „Warum fragen Sie das? Führen Sie denn überhaupt Tagebuch?“, erkundigte sie sich erstaunt.
„Nein, aber darum geht es hier nicht“, erwiderte er.
Endlich lächelte sie, wenn auch kühl und skeptisch. „Anscheinend geht es Ihnen darum, mich mit abwegigen Überlegungen vom eigentlichen Thema abzulenken.“
Seufzend ließ er ihre Hand los. Egal, was er sagte, es war klar, dass Simone Gray ihm kein Wort glaubte. Sie traute ihm einfach nicht über den Weg.
Schade.
Und seltsam, wie sehr ihn das kränkte.
Jetzt wurde das Essen serviert, und es duftete köstlich. Um die angespannte Stimmung ein bisschen aufzulockern, meinte Ryan, während er die Essstäbchen zwischen die Finger nahm: „Sie sind mittlerweile bestimmt Meisterin im Umgang damit?“
Simone erwiderte nichts, sondern stocherte mit ihren Stäbchen im Essen herum. „Ich glaube, mir ist der Appetit vergangen“, meinte sie dann.
„Entspannen Sie sich doch, Simone! Ich bin wirklich nicht hier, um Ihnen eine Story zu entreißen.“
„Und glauben Sie bloß nicht, Sie könnten mir eine Story abschmeicheln, indem Sie Ihren Charme einsetzen“, konterte sie.
„Nicht mal im Traum würde ich so etwas Gemeines tun!“
„Warum sind Sie dann hier, Ryan? Wo Sie doch das Buch ganz einfach in meiner Redaktion hätten abgeben können?“
„Warum ich hier bin?“, wiederholte er. „Ganz einfach: Weil ich Sie treffen wollte.“
Zweifelnd zog sie die feinen, schön geschwungenen Brauen hoch.
Daraufhin zuckte er nur die Schultern und versuchte es mit einem entwaffnenden Lächeln, mit dem er bisher noch jedes weibliche Wesen zwischen drei und dreiundachtzig betört hatte.
„Das Essen duftet wirklich köstlich. Wollen wir nicht anfangen“, schlug er vor.
„Ich kann nichts essen.“ Plötzlich wurde sie blass und schob den Teller beiseite. „Spielen Sie nicht länger Katz und Maus mit mir, sondern sagen Sie mir es ruhig ehrlich: Sie haben mein Tagebuch gelesen. Jetzt sind Sie hinter weiteren Einzelheiten her, weil Sie meine Geschichte drucken wollen. Stimmt’s?“
Es gibt also tatsächlich eine Geschichte, dachte Ryan, und gegen seinen Willen wurde er neugierig. Trotzdem versuchte er, Simone zu beruhigen.
„Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen“, versicherte er ihr.
„Blödsinn“, rief sie ungeduldig und stand ungehalten auf.
Auch er erhob sich. Wollte sie tatsächlich gehen? Und das herrliche Essen einfach stehen lassen?
„Setzen Sie sich doch wieder“, empfahl sie ihm. „Und genießen Sie Ihr Mittagessen. Es geht auf meine Rechnung.“
„Ach bitte, Simone, es ist nicht nötig auszuflippen. Wir können bestimmt über alles reden.“
Aber sie hatte sich schon abgewandt und ging, den Kopf hoch erhoben, durchs Restaurant zum Kassenpult, wo sie ihre Kreditkarte zückte.
Ryan war so verblüfft, dass er ihr nicht schnell genug folgte. Er war erst zur Hälfte zwischen den eng stehenden Tischen hindurchgegangen, als sie sich umdrehte und ihm einen vernichtenden Blick zuwarf.
Die anderen Gäste beobachteten sie schon interessiert. Nein, eine Szene wollte er nicht riskieren.
Das habe ich ja gründlich vermasselt, beschimpfte er sich und gab es auf, Simone einholen zu wollen. Es hätte sowieso keinen Sinn mehr.
Halbherzig winkte er ihr zu, dann ging er an den Tisch zurück und begann zu essen.
Allein machte es nicht viel Spaß, vor allem da ihm klar war, dass Miss Simone Gray ihn ganz schön dumm hatte aussehen lassen.
Eins hatte das Treffen jedenfalls bewirkt: Er war sich nun bewusst, dass in dem Tagebuch etwas stand, was viel gefährlicher und bestürzender war, als er es sich jemals vorgestellt hätte.
Denn ganz offensichtlich hatte Simone Gray Angst vor ihm gehabt.
Simone zitterte immer noch, als sie sich in ihrem Büro in den Stuhl fallen ließ, das Tagebuch an sich gepresst.
Ihr war richtig übel … Und sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie sich von Ryan Tanner ins Bockshorn hatte jagen lassen. Und geflüchtet war.
Von dem Moment an, in dem sie ihn als den attraktiven Mann vom Flughafen erkannt hatte, war sie völlig durcheinander gewesen und hatte nicht mehr klar und kühl denken können.
Bei ihrer ersten Begegnung war sie so dumm gewesen, zu
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