Julia Extra Band 0292
unerwünschtem Versuch, seine Karriere zu beschleunigen, hatte sich schnell herumgesprochen, wessen Sohn Ryan Tanner war.
Seine Freundin war gekränkt, dass er ihr nie erzählt hatte, aus einer der reichsten Familien Australiens zu stammen. Fünf Minuten lang war sie sogar extrem wütend gewesen, hatte gefaucht, geschimpft und sozusagen Funken gesprüht. Dann war sie ins Gegenteil verfallen und so anhänglich, dabei aber fordernd und gierig geworden, dass er ihr nach einem hässlichen Zank in aller Öffentlichkeit den Laufpass gegeben hatte.
Ja, das war das übliche Muster seiner Beziehungen!
Und warum hatte er noch keine Lehre daraus gezogen? Warum hielt er an dem aberwitzigen Traum fest, er würde eines Tages eine Frau finden, die ihn um seinetwillen liebte, nicht wegen des Geldes? Eine, die sich mit ihm und einem Leben ohne Glanz und Gloria zufriedengab?
So eine Frau würde er niemals finden. Aber man durfte ja noch träumen, oder?
Frustriert widmete er sich wieder dem Gemüse und hackte mit dem Messer unnötig heftig eine Möhre in kleine Stücke.
Simone stand vor dem Kleiderschrank und wusste nicht, was sie anziehen sollte. Sie war noch nie zu einem Date gegangen, das sich als geschäftliche Besprechung tarnte.
Oder war es umgekehrt?
Eins war jedenfalls sicher: Ryan Tanner hatte sie völlig verwirrt. Sie wusste nicht, ob sie besonders gut aussehen wollte, um ihn zu beeindrucken, oder nur, um ihr Selbstvertrauen zu stärken.
Und noch eins war sicher: Sie musste bei dem Treffen unglaublich vorsichtig sein. Von Anfang an musste sie die Oberhand behalten. Auf keinen Fall durfte sie sich von solchen Nebensächlichkeiten wie Ryans gutem Aussehen und seinem sexy Lächeln oder seinen angeblichen Kochkünsten ablenken lassen.
Vielleicht wollte er sie ja nur in sein Netz locken! Mit seinem Charme, von dem er wirklich Unmengen besaß.
Aber sie würde immun dagegen bleiben! Sie musste ganz sichergehen, dass Ryan kein Wort über ihr Geheimnis veröffentlichen … oder etwas über Belle und Claire enthüllen würde.
Also war es extrem wichtig, sofort die richtige Note zu treffen, auch was das Aussehen betraf.
Und deshalb stand sie immer noch unschlüssig vor dem Schrank.
Jeans wären zu lässig.
Da sie bei der Radtour abgenommen hatte, würde sie wieder in ihr kleines Schwarzes passen. Es war echt chic … Aber es machte womöglich den Eindruck, als würde sie sich zu viel Mühe geben, Ryan zu gefallen.
Bei dem roten Kostüm war der Rock sehr kurz und die Jacke tief ausgeschnitten. Nein, das war zu auffällig.
Und der blaue Hosenanzug, der ihre Augenfarbe so gut zur Geltung brachte? Der war leider eine Spur zu langweilig und geschäftsmäßig …
Vielleicht weiß?
Simone nahm das weiße ärmellose Leinenkleid mit dem kleinen viereckigen Ausschnitt aus dem Schrank und hielt es prüfend vor sich. Es war schlicht, aber elegant, und sie fühlte sich wohl darin.
Weiß war auch eine „sichere“ Farbe, die zu fast allen Anlässen passte. Sie symbolisierte Ehrlichkeit und Tugend. Sowie Unschuld …
Und das würde Ryan Tanner hoffentlich auf Distanz halten.
Abstand ist äußerst wichtig, beschloss Simone und zog sich endlich an.
5. KAPITEL
Ryan Tanners Apartment war tatsächlich alles andere als luxuriös.
Zum Glück hat er mich gewarnt, dachte Simone, als sie in der schmalen ruhigen Straße aus dem Taxi stieg. Die Wohnung lag im Parterre eines alten Hauses, das sich vor allem durch verwitterte Dachrinnen, bröckelnde Dachziegel und abblätternde Farbe auszeichnete. Für den Sohn eines Milliardärs eine wirklich bescheidene Umgebung.
Seltsam, dass es ihm hier zu gefallen schien.
Als Ryan ihr die Haustüre öffnete, zogen ihr äußerst appetitanregende Düfte entgegen. Und er selbst sah zum Anbeißen aus in der engen, abgetragenen Jeans und dem weißen offenen Hemd mit den aufgerollten Ärmeln, die seine muskulösen, sonnengebräunten Unterarme frei ließen.
Sein Blick war herzlich, und wenn sie nicht aufpasste, konnten seine braunen Augen ihr wirklich gefährlich werden.
„Hallo, Simone!“ Er lächelte strahlend. „Sie sehen hinreißend aus!“
Das Kompliment freute sie, doch sie ließ es sich nicht anmerken. Recht förmlich schüttelte sie ihm die Hand und betrat dann nach ihm den schmalen Flur, in dem ein alter stockfleckiger Spiegel und eine Reihe Graderobenhaken die einzigen Einrichtungsgegenstände darstellten.
Drei Schritte genügten, um in einen großen Raum zu gelangen, der zugleich Küche,
Weitere Kostenlose Bücher