Julia Extra Band 0293
Hand. Doch ihr Körper wehrte sich mit einem mächtigen Gefühl des Verlangens. Es war so gewaltig, dass sie sich nicht rühren konnte. Also blieb sie, wo sie war – eine Gefangene der Leidenschaft – und beobachtete nervös, wie Flynn sich ihr näherte.
„Du bist ja tatsächlich gekommen, Caitlin.“ Kein Lächeln, keine Wiedersehensfreude im Blick, wobei seine Worte vom schneidend kalten Wind rasch davongetragen wurden. Stattdessen starrte er sie an, als befände er sich in Trance. Einige Schneeregentröpfchen hatten sich in seinen pechschwarzen Wimpern verfangen und ließen die faszinierenden jadegrünen Augen wie makellose Edelsteine glitzern.
„Ist das vielleicht kalt heute!“, bemerkte Caitlin, um etwas zu sagen, wobei ihre Zähne tatsächlich vor Kälte aufeinanderschlugen. Dann riss sie sich von Flynns durchdringendem Blick los und ging an ihm vorbei. Dabei rutschte sie mit ihren Schneestiefeln auf dem Glatteis aus, das sich inzwischen gebildet hatte. „An einem Tag wie diesem sollte man am Kamin sitzen … und sich nicht hier draußen den Tod holen!“
„Lass uns zu den Steinen gehen“, schlug Flynn düster vor. „Vielleicht bieten sie uns ein wenig Schutz.“
Caitlin stellte sich mit dem Rücken in den Windschatten eines der Menhire, und Flynn blieb direkt vor ihr stehen. Die anderen Steine schienen einen lockeren Kreis um sie beide zu bilden. Der Wind zerzauste Caitlins Haar, während sie in Flynns ernstes Gesicht blickte.
Er stand so dicht vor ihr, dass sie jedes Detail erkennen konnte. Sein Gesicht war perfekt und so markant, als hätte es jemand aus Marmor gehauen. Da war kein Gramm überflüssiges Fett, wodurch das feste Kinn wie aus Eisen wirkte. Der Anflug von Bart verlieh Flynns Äußerem eine edeldüstere Schönheit. Kein Wunder, dass er so gut in diese wilde, raue Landschaft passte.
Während Caitlin ihn so eingehend betrachtete, tat Flynn das Gleiche mit ihr. Sie hielt den Atem an, als sie ganz erstaunt und mit weichen Knien feststellte, wie sehr das Verlangen aus seinem Blick sprach. Mit so unverhohlener, ursprünglicher Begierde angeschaut zu werden, raubte ihr endgültig den Atem und gab ihr das Gefühl, als schlügen die Wellen eines tiefblauen Meeres über ihr zusammen, das von ihr verlangte, sich seinen Fluten mit Haut und Haaren zu verschreiben.
„Wir sollten dieses Gespräch besser hinter uns bringen“, hörte sie sich sagen, doch ihre Stimme verriet, wie aufgewühlt sie wirklich war. Dabei versuchte Caitlin immer noch, sich die im Wind tanzenden weizenblonden Strähnen aus dem eiskalten Gesicht zu halten.
Genau in diesem Augenblick begriff sie, wie furchtbar sie Flynn wirklich vermisst hatte. Als wäre er ein Teil ihrer Seele – ihre zweite Hälfte, nach der sie sich immer gesehnt und dessen Abwesenheit eine schmerzende Wunde gerissen hatte, die niemals verheilt war. Allein Sorcha gab ihrem Leben einen Sinn.
„Warum?“, murmelte er nun mit tiefer Stimme und betrübtem Blick. Und dann, ehe Caitlin noch darauf antworten konnte, wiederholte er die Frage, schrie sie geradezu heraus. Auch sein Gesichtsausdruck passte zu diesem verbalen Kraftakt. Dabei hämmerte Flynns Herz stärker als ein Amboss, während er in Caitlins vor Schreck bleichem Gesicht nach einer Antwort suchte.
Hatte sie überhaupt den Hauch einer Vorstellung davon, wie es ihm ergangen war? Dass er gelitten hatte wie ein Hund, nachdem sie ihn in die Wüste geschickt hatte? Wusste sie, wie es sich anfühlte, wenn man danach den Eindruck hat, als wäre jeder Tag so lang wie ein Jahrhundert? Ohne Liebe, ohne Wärme. Frühling, Sommer, Herbst und Winter – alle waren sie zu einer einzigen, niemals endenden Jahreszeit der Dunkelheit und der Schwermut verschmolzen.
Nur seine Arbeit bot ihm ein wenig Ablenkung. Seine Schriftstellerkarriere hatte regelrecht Fahrt aufgenommen, nachdem Caitlin ihn verlassen hatte. Aber das war ja kaum verwunderlich, da er sich nur noch darauf konzentrierte. Das ungebrochene Engagement, mit dem er an seinem Schreibstil feilte und sein Wissen über keltische Mythologie erweiterte, sorgte dafür, dass sich Universitäten und TV-Sender gleichermaßen darum rissen, dass er bei ihnen Vorlesungen hielt beziehungsweise Dokumentationen über das keltisch-mythologische Erbe Irlands entwickelte.
Diese bedingungslose Hingabe an seinen Beruf war für Flynn geradezu überlebenswichtig geworden und nahm einen Großteil seiner Zeit in Anspruch. Aber davon abgesehen, vergingen die Tage für ihn
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